"Kultur macht glücklich"


München – Philip Glass’ Oper „Akhnaten“ als Inszenierung der Opera Incognita im Museum Ägyptischer Kunst 

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München – Philip Glass’ Oper „Akhnaten“ als Inszenierung der Opera Incognita im Museum Ägyptischer Kunst 

©Aylin Kaip

Der Ausstellungsraum des Museums Ägyptischer Kunst quer bestuhlt ergibt eine ebenerdige Bühne von 30 Metern. Die Problematik, dass alle Zuschauer das Geschehen im Blick haben, löst Andreas Wiedermann mit dreifachen Stationen-, Schreit- und Prozessionsszenarien, in der die Wucht altägyptischer Rituale bestens zur Wirkung kommt. In weiß-sandfarbenen Kostümen (Ausstattung Aylin Kaip), in der sich die Elite des Staates vom Volk nur durch Farbakzente abhebt, gelingt eine edle Aura, die an die ritualisierten Kulte der Freimaurer denken lässt. 

Vorspiel und Epilog ordnen das Geschehen mit den archäologischen Funden Schliemanns historisch, einer alltäglichen Putzszene im Heute ein. Über die Relikte gelingt schlagartig der Zeitsprung in die Vergangenheit des 14. Jahrhunderts vor Christus. 

Amenophis III., der König des altägyptischen Reiches stirbt. Die einstürzenden Bauklötze seines spielenden Sohnes signalisieren die Zeitenwende. Unbeeindruckt baut der Sohn eine neue Stadt statt in die Höhe in die Breite, um sie stabiler zu machen. Roboter als Geschenke zu Weihnachten verweisen auf die Zukunft, unsere Gegenwart, auf die Degradierung des Menschen zum manipuliert ferngesteuerten Arbeitswesen. Würdevoll wird König Echnaton mit Nofretete in einer eindrucksvollen rituellen Zeremonie durch miteinander verschlungene Bänder vermählt, voller Verehrung stimmt der Chor einen kraftvollen Hymnus an. Doch schon der Tanz (Rotem Weissman) zur Einweihung der Stadt, die in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft wurde, spielt in abgewinkelten Körperhaltungen und bizarren Verrenkungen auf die Sklavenarbeit an. Parodie pur ist die künstliche Samenspende und deren Folgen. Statt Kindern gebiert Nofretete auf einem gynäkologischen Stuhl ein halbes Dutzend Sonnen.

Philip Glass' "Akhnaten" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Aylin Kaip

Dem Volk wird à la heutiger Regenbogenpresse die königliche Familie, eitel als Gruppenbild in verschiedenen Varianten arrangiert und fotografiert, als Idealbild vermittelt. Trotzdem begehrt das Volk auf. In Wiedermanns Version sind es die Frauen, die sich widersetzen die einengenden Schlingen sprengen und die trotzdem oder gerade deshalb niedergemetzelt werden. Die neue Stadt wird zerstört, wobei das Bühnengeschehen so in seinen Bann zieht, dass die Projektionen einstürzender Wolkenkratzer aus der jüngsten Zeitgeschichte marginal bleiben. Der Epilog gehört der Putzfrau. Ihr Putzlappen ist Rot vom Blut. Nicht viel hat sich in tausendjähriger Geschichte geändert. Eine Vision nach der anderen stürzt ein. 

Erst durch diese mitreißenden Bühnensequenzen und die großartigen Stimmen bekommt Glass’ minimalistisch gleichförmige Komposition mit ständig sich wiederholenden leitmotivischen tonalen Wellenbewegungen die Spannung für diese Weltuntergangsparabel. In der gewählten Fassung für vier Keyboards und drei Schlagwerke bleibt der Klang trotz des präzisen Dirigats von Ernst Bartmann sehr elektronisch. Umso mehr kommen die Stimmen zur Wirkung.

Der südkoreanische Countertenor Kiuk Kim glänzt als Akhnaten mit brillantem Timbre und überaus subtil moduliertem Volumen. Dazu passt Carolin Ritters durchglühter Mezzosopran ausgezeichnet, der Nofretete den Glanz der Ebenbürtigkeit verleiht. Mit klaren Koloraturen weitet die türkische Sopranistin Dilay Grigin als Akhnatens Mutter den stimmlichen Wohlklang der Herrscherdynastie.

Am expressivsten ist der Chor, der die Wucht des Geschehens in satter Tiefe, mit rhythmisierten, crescendierenden Sprachsilben das Spektrum zwischen heroischer Verehrung und kriegerischer Aggression faszinierend auslotet, wobei Tenor Jinjian Zhong (Hohepriester), Bariton Konstantin Riedl (König Harembab) und vor allem Bassist Robson Bueno Tavares (Hofbeamter Aye) immer wieder Akzente setzen, die aufhorchen lassen.

„Akhnaten“ ist im Münchner Museum für Ägyptische Kunst noch am 7., 9., 10., 15. und 16. September jeweils um 19:30 Uhr zu sehen.