München – Leoš Janáčeks „Das schlaue Füchslein“ großartig in der Staatsoper inszeniert und dirigiert

Janácek "Das schlaue Füchslein" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Bayerische Staatsoper, Wilfried Hösl

Das Kichern seiner Haushälterin über eine Fortsetzungs-Bildergeschichte in der Zeitung inspirierte Leoš Janáček zum „Schlauen Füchslein“ (1924). Eine junge Füchsin wird von einem Förster gefangen. Sie möchte die Hühner auf dem Bauernhof zur Revolte aufwiegeln. Als sie nicht reagieren, beißt sie ihnen die Kehle durch, nimmt Reißaus, sucht sich einen feschen Fuchs, mit dem sie viele kleine Füchslein zeugt und wird in ihrem provokanten Übermut schließlich von einem Wilderer erschossen. 

Barrie Kosky inszeniert „Das schlaue Füchslein“ ganz gegen den Strich, macht die SängerInnen nicht zu Tieren, sondern lässt Tiere Mensch sein und beginnt vom Ende her. Eine Beerdigung vermittelt den Kummer einen geliebten Menschen verloren zu haben. Vor schwarzem Bühnenhintergrund trauert der Förster und wird zum Paradigma hoffnungsloser Einsamkeit im existentiellen Nichts. Durch einen Vorhang silber glitzernder Texturen verwandelt sich die Szenerie in einen Traum, in dem die Geschichte des „Schlauen Füchsleins“ noch einmal Revue passiert, eben nicht als Tierparabel, sondern als Geschichte eines jungen Mädchens, Inbegriff  kecken Übermuts als Kind, voller Neugier und Lebensfreude als junge Frau.

Zwischen Traum und Posse, Beckettschem Existentialismus und Poesie lässt Barrie Kosky die Grenzen zwischen Mensch und Tier verschwimmen. Aus kreisrunden Löchern agieren die Menschen isoliert oder dicht gedrängt, doch mental getrennt wie antiquierte Stehaufmännchen auf, schwärmen die Kinder zum Hüpfen und Tanzen aus dem Dachsbau, palavern die alten Würdenträger des Dorfes über ihre verflossenen Geliebten. Immer wieder trifft zarte Ausgelassenheit der Jungen auf grobe Volksnatur der Alten. Und natürlich setzt Barrie Kosky auch sein unglaubliches Talent zu überraschen in Szene, wenn im Glitzervorhang düster schwarze Fenster gaffen, der Mensch in seiner kosmischen Einsamkeit spürbar wird oder dottergelb die Hühner auf der Stange rund um den Hahn gackern, eine herrliche Machosatire, der Elena Tsallagova als schlaue Füchsin den Garaus macht.

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©Bayerische Staatsoper, Wilfried Hösl

Sie singt und spielt bezaubernd keck, lässt sich von niemandem vereinnahmen. Selbst den Fuchs sucht sie sich aus, mit Angela Brower erste Wahl und gleichzeitig eine Hommage an die Feinfühligkeit gleichgeschlechtlicher Liebe.

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©Bayerische Staatsoper, Wilfried Hösl

Wolfgang Koch gibt mit seinem kraftvollen Volumen einen nachdenklichen Jäger ab, der nach dem Glück sucht und nichts damit anzufangen weiß, als er es in Händen hält. Er lebt ohne Hoffnung. Die Füchsin dagegen hat sinnenfroh gelebt. Ihr Tod markiert ein erfülltes Leben und rückt die Geschichte in ein pantheistisches Weltbild.

Dass diese Ambivalenz zwischen Wollen und Leben, Haben und Sein, Hoffnungslosigkeit und Zuversicht, menschlicher Kälte und Wärme, in dieser holzschnittartigen Bildergeschichte so wunderbar aufglitzert, liegt Koskys origineller Regie, die auch Tanz und Chor nahtlos integriert, dem fantastischen Bühnenbild (Michael Levine), das selbst seelische Vereisungen zum Ausdruck bringt und vor allem an dem kraftvoll und sehr facettenreichen Dirigat von Mirga Gražinytė-Tyla. Sie macht Janáčeks sprachorientierte Komposition in ihrer schillernden Vielseitigkeit wunderbar transparent. Der Wald, die Vögel, die Natur erklingen. Das Bayerische Staatsorchester führt die kleinen Melodiesplitter nahtlos mit den unterschiedlichen Instrumentengruppen weiter, überrascht  durch klare Präzision, warme Klangtonalität, tänzerische Rhythmik und spannende Crescendi. Doch selbst im fulminanten Forte bleibt Mirga Gražinytė-Tyla dezent, ohne in folkloristische Derbheit abzugleiten. Den SängerInnen, insbesondere Wolfgang Koch gelingt, nicht zuletzt durch intensive Arbeit mit Sprachcoaches den Sprachrhythmus des Tschechischen miteinzubringen, was die Besonderheit von Janáčeks Werken ausmacht. 

Künstlerisches Team: Mirga Gražinytė-Tyla (Musikalische Leitung), Barrie Kosky (Regie), Michael Levine (Bühne), Victoria Behr (Kostüme), Franck Evin (Licht), Stellario Fagone (Chöre), Katja Leclerc (Dramaturgie)

In den Hauptrollen: Elena Tsallagova (Füchslein), Wolfgang Koch (Förster), Angela Brower (Fuchs)