©Wilfried Hösl
Junge OpernsängerInnen haben hier die Gelegenheit große Rollen zu singen. Dass sie allesamt begabt sind, steht außer Frage. Doch nicht jede Rolle ist ideal in Szene gesetzt. Nicht immer optimal wirkt die musikalische Feinabstimmung bei dieser Opernproduktion, die für April konzipiert wegen der Pandemie erst im September im Münchner Cuvilliés-Theater in etwas gekürzter Form Premiere hatte.
Regisseurin Christiane Lutz verlegt das romantische Zigeunermilieu von einst in die nüchterne Atmosphäre einer Theaterkantine, zu der sich Straßenmusiker gesellen. Im reduzierten Umfeld der Bühnenbilder (Christian Andre Tabakoff) richtet sie den Fokus auf Mignon und Philine, die attraktive Schauspielerin der Theatergruppe, die allen Männern operettenhaft den Kopf verdreht, auch Wilhelm Meister.
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In einer schlichten Rezeption häufen sich die Blumen für Philine, die sie achtlos zur Seite wirft. In der kleinen Theatermaske raufen zwei Verehrer um sie. Hinter drei großen Flügeltüren kreist das Fest eines wohlhabenden Gönners um die angebetete Philine, davor Mignon einsam, ihre Existenz hinterfragend und in Wilhelm Meister verliebt. Sie ist die graue Maus, burschikos, selbst in Philines Kleid fehlt ihr jegliche erotische Ausstrahlung. Mignons Erinnerungssplitter werden per Video eingeblendet, spiegeln sich auf einem glänzend schwarzen Kubus als Symbol für den Palast, der Mignons Vergangenheit birgt. Von Lotario angezündet, wiederholt sich das traumatische Unglück von einst und ermöglicht die Erinnerung. Mignon wird von Wilhelm Meister gerettet, dem dabei seine tiefen Gefühle für sie bewusst werden. Mignon überlebt, bricht aber trotz Gewissheit geliebt zu werden zusammen.
Mignons Identifikationssuche steht zwar im Mittelpunkt, doch von Anfang an dominiert Philine, um so mehr als sie durch ihre Kleider heraussticht und sie von Juliana Zara durch ihre schwerelosen Koloraturarien, ihr schauspielerisches Talent und ihre starke Bühnenpräsenz sehr kokett und erotisch interpretiert wird. Mignon in eine Latzhose zu stecken (Kostüme Natascha Maraval), macht sie als Tänzerin unvorstellbar, als Zielobjekt des Messerwerfers wenig authentisch. Trotz der unvorteilhaften Optik rückt Sarah Gilford durch ihren kraftvollen lyrischen Sopran Mignon immer mehr in den Vordergrund. Doch erst gegen Ende, im Duett mit Oğulcan Yılmaz´ balsamierendem Bass als Lotario, gewinnt die Oper die emotionale Tiefe und Wärme, auf die die orchestralen Sehnsuchtsmelodien zielen.
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Tenor Caspar Singh muss als herumwandernder Wilhelm Meister zunächst den Biedermann spielen, der immer mehr in den Bann Philines gerät. Als ihr umgestylter Begleiter präsentiert er ein neues Profil, werden seine Arien strahlender und empathischer, als er seine Gefühle für Mignon entdeckt. Daria Proszek glänzt in der Nebenrolle des Frédérik, einem schnöseligen Verehrer Philines, den sie, durch ihr komödiantisches Talent und ihren klaren Mezzosopran trotz ironischen Impetus sehr sympathisch zeichnet. Markante Akzente, die aufhorchen lassen, setzen in der Schauspieltruppe Christian Valle als Theaterchef mit bedrohlicher Dominanz und Tenor George Virban als lebensfroher Wirbelwind.
Unter der temperamentvollen Leitung von Pierre Dumoussand kristallisieren rund eineinhalb Dutzend Musiker des Bayerischen Staatsorchesters die romantischen Sehnsuchtsmelodien sehr klar und fließend heraus. Die volkstümlichen Motive klingen rustikal an. Aber immer wieder überdeckt das Orchester die Arien, zu viel Forte die fragilen Stimmungen. Wunderschön untermalt die Harfe, während der Oboe zuweilen der zarte Schmelz der Sehnsucht fehlt. Die Tutti gesungen von einem Extrachor der Bayerischen Staatsoper verwischen. Nichtsdestoweniger ist das Publikum begeistert.