Budapest –  Weltpremiere von Levente Gyöngyös´Musicaloper  „Der Meister und Margarita“ an der Budapester Oper mit englischen Untertiteln

Gyöngyös´Weltpremiere "Der Meister und Margarita" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Oper Budapest

Der Beginn irritiert. Nach der Ouvertüre mit Mozartschem Klang ein BMW-Werbevideo á la Youtube. Doch dann geht die Post ab. Man spürt sofort, dass sich hier in jeder Beziehung ein Opernabend der ganz anderen Art entwickelt, ein neues Genre, eine Musicaloper. Rhythmik und Harmonien markieren die verschiedenen Spielhandlungen des Romans bzw. des stimmig gekürzten Librettos von Szabolcs Várady. 

Dazu findet Regisseur Vajk Szente mit seinem Team und den Choreografen Lajos Peter Turi (Tanz) und Tünde Vincze (Luftakrobatik) furiose, teilweise sehr groteske Szenen rund um eine steile Tribüne, die als Tribunal, Irrenhaus, Brücke, Kabarett und Catway fungiert.

Nur die politische Ebene bleibt real, das Volk, dargestellt durch TänzerInnen des ungarischen Nationalballetts, die in grauen Kostümen und Anzügen in hektischen Choreografien das Pflichtbewusstsein der Bürger visualisieren. Die Schriftstellergilde, als wuchtiger Chor bedrohlich das russische Volkslied „Der Hammer fällt“ intonierend, steht für das rigide System, das keinerlei Kritik erlaubt. Der Dichter Michail Meister (Péter Balczó) kommt ins Irrenhaus. Sein Buch „Pontius Pilatus“ wird verboten. Doch im Irrenhaus wird alles möglich, sogar die Inszenierung des Romans als gladiatorisch pathetisch kitschige Groteske. Andrew Llyod Webbers „Jesus Christ Superstar“ der 70er Jahre lässt grüßen, wirkt zwischen sentimentaler Akustikgitarre und rasanten Gitarrenriffs, Pathetik und Rührseligkeit als doppelte Farce, nicht nur von Machthierarchien, sondern auch von Musicalverkitschung. Derweil kommt Woland (Péter Kálman), Satan höchst persönlich, als US-Typ im weißen Anzug mit seinen Gesellen nach Moskau und zieht die Menschen durch magische Kunststücke in seinen Bann. Berlioz´ Kopf, Führer der Schriftstellergilde, rollt auf die Bühne, die rot aufflammt, während der Chor düster in immer tieferen Lagen singt, Klarinette und Schlagwerke, Streicher ein noch düstereres Szenario aufbauen, Spiegelwände die Moritat multiplizieren.

Magarita (Orsolya Sáfár) wird in Gyöngyös´ Werk besonders hervorgehoben. In ihrer reinen Liebe zum Meister wird Arienzauber hörbar. Nahtlos gleitet ihr glühender Sopran ins Musical-Genre. Nein, sie stürzt sich nicht von der Brücke in den Fluss, sondern spielt die Ballkönigin an Wolands Seite, um als Gegenleistung ihren Meister wiedersehen zu können. 

Davor präsentiert Woland seine Zauberkünste im Kabarett mit allerlei Schabernack in einer rasanten Rockshow. Das Publikum befreit sich kurz von seinen Einheitsgesten, genießt tanzend die neue Freiheit, giert unter dem hypnotischen Einfluss Wolands nach herabfliegenden Geldscheinen, bis es fast nackt die erneute Manipulation erkennt.

Der 2. Akt gipfelt in der Ballnacht des Satans. „Yeah“, das Böse rockt sexy ganz in schillerndem Schwarz mit roten Details in einer mächtigen Tanzshow ab, fällt um Mitternacht in sich zusammen, um noch wilder als Tote und Vampire aufzuwachen, darunter Berlioz´ sprechender Kopf als skurrile Überraschung. „Freiheit bricht die Ketten“ lautet die Devise des Refrains. „Wer die Augen aufmacht, sieht überall das echte Leben“, mittendrin erhellt Magarita als Ballkönigin in Gold mit ihrem naiven Charme das Reich der Dunkelheit. Erst als der Meister auftaucht wird Oper noch einmal als großes Duett mit Magarita hörbar. Während Pontius Pilatus, inzwischen depressiv, von einer riesigen Dornenkrone eingekreist wird, zitiert Woland aus dem Roman die Quintessenz des ganzen Spektakels. „Es ist keine Sünde zu zweifeln. Die einzige Sünde ist die Feigheit“ und erklärt, das Gute kann nicht ohne das Böse sein, das Böse nicht ohne das Gute. Wolands Lösung ist der Abgang in eine andere Welt. Mitten in der Natur untermalt mit zwitschernd jubilierendem Orchester finden sich Margarita und der Meister. Das ist in der Tat ein großes Werk, aber wesentlich mehr Musical als Oper, mehr Unterhaltung als abgründiges Erschauern, für Opernfans nicht die erste Wahl.