Berlin-Staatoper-„L´incoronazione di Poppea“

Zum ersten Trommelwirbel entrollt sich das Bühnenbild (Jens Kilian) in Gold von oben hinweg über die Bühnenschräge. Die Figuren, allesamt in ständigen Variationen darauf positioniert wirken wie kleine Marionetten, mögen ihre Gewänder noch so golden funkeln. Der skurrile Mix aus bizarren Barockreifröcken, steifen Renaissancehalskrausen und chicen Partydress parodiert die Macht ihrer Träger, entrückt sie durch die raffinierte Lichtregie (Olaf Freese und Irene Selka) als Grenzgänger zwischen Diesseits und Jenseits, die nichts als große Schatten werfen und tot auf der Drehbühne drapiert zur Allegorie eine Lebenskreislaufs zwischen Lust und Mord mutieren.

Obwohl Diego Fasolis, Spezialist für historische Aufführungen, Monteverdi  mit der Akademie für alte Musik Berlin überaus klangschön, transparent, facettenreich interpretiert und dessen Liebesgeschichte herausmodelliert, gelingt Regisseurin Eva-Maria Höckmayr  das Kunststück permanent die latente Unmoral von Monteverdis Figurenarsenal zu offenbaren und die Liebe als reine Lust, die Geschichte dazu  als Farce zu decouvrieren. „L´incoronacione di Poppea“ endet dieses Mal nicht als tolerantes Happyend. Poppeas Hochzeit ist bereits überschattet von Neros nächster Leidenschaft zu einem schönen Jüngling.

Zum ersten Trommelwirbel entrollt sich das Bühnenbild (Jens Kilian) in Gold von oben hinweg über die Bühnenschräge. Die Figuren, allesamt in ständigen Variationen darauf positioniert wirken wie kleine Marionetten, mögen ihre Gewänder noch so golden funkeln. Der skurrile Mix aus bizarren Barockreifröcken, steifen Renaissancehalskrausen und chicen Partydress parodiert die Macht ihrer Träger, entrückt sie durch die raffinierte Lichtregie (Olaf Freese und Irene Selka) als Grenzgänger zwischen Diesseits und Jenseits, die nichts als große Schatten werfen und tot auf der Drehbühne drapiert zur Allegorie eine Lebenskreislaufs zwischen Lust und Mord mutieren.

©Bernd Uhlig

Damit knüpft Eva-Maria Höckmayr an die historische Biografie Neros an, der die schwangere Poppea  ein Jahr später schon tötete. Gleichzeitig wird Monteverdis Kritik an der Unmoral der  Würdenträger in Rom über die Figur Neros und seines Hofstaates bestens spürbar.

Die ständige Präsenz aller Personen mit immer neuen überraschenden Handlungsdetails gibt  dieser ersten großen Oper der Musikgeschichte eine sehr erheiternde parodistische Zwischenebene, gerade weil die Regie nicht mit Bildern zudeckt, sondern  die Musik  sehr  differenziert und sehr subtil in Tanz, erotischem Gehopse  und heißen Sexszenen umsetzt und zeigt, was sich hinter den Gardinen tatsächlich abspielt, und  die Parodie durch die prüde Beobachtungsperspektive dupliziert, mit der Hof das lüsterne Spiel argwöhnisch verfolgt.

Durch Anna Prohaska wird diese Poppea tatsächlich zum skrupellosen Luder, das sich nach oben schläft, die Männer durch Dessous und sinnliche Berührungen zu betören weiß,  zunächst noch abgeschirmt, dann offen auf der Rampe, wenn es sein muss auch zu dritt. Hauptsache es dient der Karriere zu Kaiserin. Anna Prohaska  koloriert wie sie erotisiert, kraftvoll, klar, energisch, dominant, in High Heels und Timbre  fast wie eine Popsängerin. Jede Szene ein Genuss für Aug und Ohr, jede Bewegung im Puls der Musik.

Ihre Rivalin, Kaiserin Ottavio, hat keine Chance. Katharina Kammerloher zeigt sie in hoheitlicher Zugeknöpftheit, in der Ambivalenz von Opfer und Täterin in ausdrucksstarken Arien. Der kaiserlichen Kleider beraubt versteinert sie im Graulicht. Die Männer, sowohl Kaiser Nerone (Max Emanuel Cencic) als auch der Höfling Ottone (Xavier Sabata) degradieren zu testerongesteuerten Hampelmännern, verstärkt durch Besetzung mit Countertenören, die erotisches Vibrieren hörbar machen, was bei Nerone sich in der Lust verlierend fast in eine debile Infantilität führt, und bei Ottone, einem egomanischen, Poppea hörigen Wendehals  leider nur schauspielerisch in ein mafiose Brutalität umschlägt. Ottones reanimierte Exgeliebte Drusilla mausert sich mit Evelin Novaks strahlendem Sopran  rollenadäquat vom Mauerblümchen zum tugendhaften Vorbild für alle Frauen.

MIchaela Schabel besuchte für Schabel-kultur-blog.de in der Staatsoper Berlin Monteverdis Poppea

©Bernd Uhlig

Äußerst amüsant mit einem Hauch Commedia dell´Arte bringt Eva-Maria Höckmayr die beiden Ammen ins Spiel. Jochen Kowalski hält als  Ottavias Amme mit einem überdimensioniert breiten Reifrock wie ein Flaggschiff die Stellung auf der Bühne und rauscht zuweilen raumgreifend dazwischen. Sein faszinierender Countertenor mit voluminöser Tiefe weiß er für die Komik dieser Rolle bestens einzusetzen. Allein es nützt  nichts. Poppeas  Amme Arnalta  übernimmt die Position. Liebenswürdig skurril, sängerisch und schauspielerisch mit umwerfenden Charme. zeichnet Mark Milhofer diese Arnalta, Selbst der hehre Sokrates von  Franz-Josef Selig  statt mit stoischer Gelassenheit als wohlgenährten, selbstfällig Höfling mit kräftigen Stimmvolumen parodistisch untergraben. „Vernunft ist nutzlos“, konstatiert er und stürzt tot zu Boden. Tugend und Fortuna, gesungen von den Solisten des Kinderchors haben keine Chance. Lucia Cirillo besingt kraftvoll die Macht der Liebe als barockes Herz  in barocker Opulenz über die Bühne  schwebend. Doch das Herz ist gespalten und das Rot der Liebe nur das Rot der Lust.

Michaela Schabe