©Komische Oper, Foto: Monika Rittershaus
Lorenzo Da Pontes reichlich konstruierte Geschichte über die Wette auf die Treue der Frauen bekommt in Serebrennikovs Version eine ganz neue Wende. Guglielmo und Ferrando werden nicht nur zum Krieg eingezogen, sondern angeblich auch getötet, woraufhin sich Fiordiligi und Dorabella mit aller Kraft gegen die Avancen der neuen Verführer wehren. Warum sollten sich zwei junge schöne Frauen nicht neu verlieben? Das ist kein Treuebruch mehr. Warum empfinden es die Frauen so? Kirill Serebrennikov fokussiert auf die Gefühle der Frauen, auf ihren Zwiespalt gesellschaftlichen Normen oder ihren inneren Wünschen zu folgen.
Die Inszenierung ist auf allen Ebenen beeindruckend. Schon das Bühnenbild sorgt für ungewöhnliche Spannung. Zwei Spielflächen, bei der Ouvertüre zwei Fitnessstudios, dann zwei modisch gestylte Lofts übereinander sorgen für eine spannende, ausgesprochen flotte Dramaturgie. Live-Projektionen ermöglichen ungewöhnliche Perspektiven, emotionale Nähe im Großformat, voyeuristische Distanz aus der Vogelperspektive, parodistische Effekte durch Parallelhandlungen und Einbeziehung des soldatischen Alltags abseits der Schusslinie.
©Komische Oper, Foto: Monika Rittershaus
Der besondere Gag ist die Duplizierung der beiden Liebhaber Ferrando und Guglielmo. Caspar Singh und Hubert Sapiór agieren singend, doch die verführerischen Verkleidungsszenen übernehmen die beiden Filmschauspieler Amer El-Erwadi und Groan Jurenec, was die Inszenierung erotisch auflädt und, orientalisch verortet, Verführungsklischees und kulturelle Polaritäten herrlich karikiert.
Angesichts dieser männlichen Adonisse geht Don Alfonsos Wette auf. Dorabella, dann auch Fiordiligi, mit Penny Sofroniadou und Susan Zarrabi bestens besetzt, schmelzen dahin. Sie haben nicht den Double-Luxus, aber ihre wunderbaren Stimmen kombiniert mit ihren perfekten Körpern in Bikini-Dessous werden zum synästhetischen Erlebnis. Doch hinter der glatten Oberfläche offeriert Serebrennikov durch groteske Übertreibungen wie gesellschaftlich und religiös bestimmte moralische Restriktionen Frauen immer noch fesseln, während sich Männer alles erlauben können.
Zur flotten Inszenierung passt die temperamentvolle musikalische Umsetzung unter der Leitung von Dirigentin Erina Yashima, seit der letzten Spielsaison Erste Kapellmeisterin an der Komischen Oper. Ouvertüre und Schluss etwas lärmig fand das Orchester schnell eine kraftvolle Klangharmonie, die den Gesang effektvoll unterstrich. Sehr gut besetzt begeisterten die Arien durch unangestrengte Leichtigkeit, Duette und Quartette durch den Reiz facettenreicher, sehr gut zusammen passender Timbres. Penny Sofroniadou überraschte durch ein extrem großes Tonspektrum, Susan Zarrabi durch ihren satten Mezzosopran. Caspar Singhs fulminanter Tenor und Hubert Zapiórs heller Bariton setzten stimmliche Akzente, während Amer El-Erwadi und Goran Jurenec gekonnt durch ihren Schalk begeisterten. Seth Carico präsentierte einen souveränen Don Alfonso und Alma Sadé eine quirlige, lebensfrohe Despina. Alles in allem ein genussvoller, fröhlicher Opernabend.
Künstlerisches Team: Erina Yashima (Musikalische Leitung), Kiril Serebrennikov (Inszenierung, Bühne, Kostüme), Evgeny Kulagin (Umsetzung Inszenierung, Choreografie), Beate Breidenbach, Maximilian Hagemeyer (Dramaturgie), Jean-Christophe Charron (Chöre), Olaf Fresse (Licht), Ilya Shagalov (Video=
Mit: Penny Sofroniadou (Fiordiligi), Susan Zarrabi (Dorabella), Hubert Zapiór (Guglielmo), Caspar Singh (Ferrando), Seth Carico (Don Alfonso), Alma Sadé (Despina) Amer El-Erwadi (Sempronio) Goran Jurenec (Titio)