©Label resonando
Nach vier Jahren Probenzeit inklusive der Uraufführung der „Markuspassion“ im März 2023 in Zürich gibt es sie jetzt als 3-teiliges CD-Präsent, aus drei Live-Konzerten ein perfekt mitgeschnitten Musikerlebnis. Nikolaus Matthes (*1981) schwärmt zu Recht von einem „traumhaft packenden Klang“, womit ihn das Ensemble beschenkt hat, ein Klang, den er „in dieser Reinheit…
von innerer Anteilnahme getragenen Intensität nie zuvor irgendwo erlebt hatte“. Alle 50 MusikerInnen und SängerInnen dieses musikalischen Großprojekts sind handverlesen, hochprofessionell, erfahren in historischer und zeitgenössischer Aufführungspraxis und hatten bei der Uraufführung teilgenommen. Durch Neugier, Freude und tief ernstes Musizieren entstand ein großes Gemeinschaftsgefühl. Über die Höhen und Tiefen des Probenprozesses entwickelte sich ein „gemeinsamer Lebensklang“ heraus, der die Qualität dieser Einspielung ausmacht.
Auslöser war die Tatsache, dass von der 1731 in Leipzig erklungenen „Paßionsmusik nach dem Evangelisten Marco“ nichts überliefert ist. Bach und Librettist Christian Friedrich Henrici, bekannt unter dem Namen Picander, arbeiteten zwar schon bei der Matthäuspassion zusammen, aber alle kompositorischen Zuschreibungen an Bach bezüglich der Markuspassion sind rein hypothetisch. So entschloss sich Komponist Matthes dieses Werk nach Henricis Libretto neu zu komponieren, ganz im Stil von Bach.
Das Orchester, barock besetzt, die Markuspassion mit den musikalischen und stilistischen Mitteln wie Anfang des 18. Jahrhunderts komponiert lässt sofort Bach assoziieren, weist aber gleichzeitig über ihn hinaus, weil durch die neu geschriebene „alte“ Musik viele Impulse und Erkenntnisse ein neues Hörerleben ermöglicht wird.
Die Komposition ist insgesamt noch schlanker. Es gibt keine Ariosi. Evanglienbericht und Choräle folgen ohne instrumentale Zwischenstücke aufeinander. Erster und zweiter Teil, „Vor der Predigt“ und „Nach der Predigt“ sind mit jeweils acht Chorälen, davon jeweils eine große Choralphantasie und vier Arien. Für jede der vier Stimmlagen hat Matthes zwei Arien komponiert, jeweils eine mit Soloinstrumenten und die andere mit größerer Orchesterbesetzung. Zwei Altarien umrahmt von zwei Tenorarien, sind vollkommen symmetrisch angeordnet, wobei der erste Teil mehr meditativ, der zweite durch die kommentierenden und in die Handlung eingreifenden Chöre dramatischer wirkt.
Aber das Außerordentlichste ist der satte orchestrale Farbklang dieser Neukomposition, in der die Solisten wunderschöne Klangakzente setzen. Die Arien schaffen tief empfundene atmosphärische Szenarien von inbrünstiger Anteilnahme, mitunter von heldenhaftem Glanz und tänzerischer Glückseligkeit. „Mein Heyland, dich vergeß ich nicht“, derart innig, getragen kraftvoll gesungen, von der Flöte überaus zart und verspielt begleitet und weitergesponnen, gräbt sich als ergreifendes Bekenntnis als wichtige Botschaft tief ins Bewusstsein ein.
Spannend treiben die Rezitative die Handlung voran. Die beiden Evangelisten Daniel Johannsen, Georg Poplutz schildern temperamentvoll, höchst erregt und ausdrucksvoll artikuliert die Ereignisse. Durch Daniel Pérez kraftvolle, markante Stimme sticht Jesus heraus, der seine Gefühle und im vorausschauenden Wissen sein Tun offeriert. Der Chor spiegelt über bekannte klerikale Melodien die tiefe verankerte Demut und Gläubigkeit im Volk.
17 Choristen inklusive Solisten und Orchester überzeugen unter der musikalischen Leitung von Matthes durch polyphone Präzision und klangschöne Interpretation, die durch Tonmeister Stefan Ritzenthaler auch auf der CD als klangräumliches Erlebnis fasziniert. Die CD beweist einmal mehr, wie menschliches Miteinander künstlerische Höchstleistungen ermöglicht. Diew CD mit dem ausführlichen, sehr informativen Booklet, 173 Seiten in deutscher, italienischer und englischer Sprache, ist eine würdige Hommage an Bach, an Matthes und nicht zuletzt ein perfektes Aushängeschild für das Label resonando, das damit 2024 sein 10-jähriges Jubiläum feierte. Diese Weltersteinspielung verdient es ausgezeichnet zu werden.
Mit: Daniel Johannsen, Georg Poplutz (Evangelisten), Daniel Pérez (Jesus), Maya Boog Sopran, Annekathrin Laabs Alt, Daniel Johannsen Tenor, Georg Poplutz Tenor, Matthias Helm Bariton (Arien-Solistenquintett) , Luis Neiva (Judas), Matthias Helm (Petrus), Breno Quinderé (Pontifex), Maria Pujades Seguí (Ancilla), Damiano Capelli (Pilatus), Michael Schwarze (Miles) und Ciago Oliveira (Centurio)
Nikolaus Matthes „Markuspassion“, Label resonando