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CD – „Johannes Brahms Sonatas op.120 und Robert Schumanns Märchenbilder op. 113“ – eine geglückte Gegenüberstellung

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CD – „Johannes Brahms Sonatas op.120 und Robert Schumanns Märchenbilder op. 113“ – eine geglückte Gegenüberstellung

©MDG, 2025

Vom ersten bis zum letzten Ton überaus klangschön und klar interpretiert präsentieren Bratschist Christian Euler und Pianist Paul Rivinius zwei Spätwerke aus der gleichen Zeit von zwei…

ganz unterschiedlichen Komponisten. Robert Schumann (1809-1845) schrieb verspielte Charakterstücke, Johannes Brahms (1833-1897), sein um 24 Jahre jüngerer Freund, formal zwei streng konzipierte, auf das Wesentliche konzentrierte Sonaten ausdrücklich für den Klarinettisten Mühlfeld, denn „man kann nicht schöner Klarinette blasen“ als er, so Brahms. Mühlfeld startete mit Brahms Sonaten seine Karriere. Von der späteren Bratschenversion war Brahms wenig begeistert, weil er unschöne Eingriffe in die musikalische Struktur befürchtete. Euler beweist das Gegenteil.

Aufgenommen wie immer vom Label MCG in einem akustisch perfekten Konzertraum wird die Neueinspielung von „Johannes Brahms Sonatas op. 120 und Robert Schumann Märchenbilder op. 113“ von Christian Euler (Viola) und Paul Rivinius (Piano) durch natürliche Klangfarben, präzise Rhythmik und unverfälschte Tiefenwirkung zum Hörerlebnis.

Eulers Bratsche umfasst den strahlenden Glanz einer Geige und die emotionale Dichte eines Cellos. Rivinius spielt auf seinem 100 Jahre alten Steinway-Flügel ohne den dunklen Hall, wie er bei modernen Steinway-Modellen vorkommt. Durch subtile Klangfarben, spielerische Präzision gewinnt ihre Einspielung emotionale Tiefe und durch die Umrahmung von Schumanns „Märchenbilder“ durch die beiden Sonaten von Brahms wird die Unterschiedlichkeit der Werke sehr deutlich.

Das Besondere an Brahms Sonaten ist, dass er die Komposition aus einem Grundmotiv entwickelt und die Themen kontrapunktisch und rhythmisch sehr komplex ausarbeitet. Mit klaren Bogenstrichen eröffnet Euler Brahms Sonata in f-Moll die Facetten romantischer Sehnsüchte ohne ins Sentimentale abzurutschen. Rivinius erdet am Flügel überbordende Glückseligkeit, acceleriert und besänftigt, ein wunderbares Alternieren, das sich nach einem „allegro appassionato“ in ein tief erlebtes, beseeltes „Andante un poco Adagio“ verwandelt und sich im „Allegretto grazioso“ in gegenläufigen Klanglinien überaus subtil und intensiv verdichtet, um dann in einem wunderbaren Wechselspiel der Melodie von Bratsche und Piano eine tänzerische Leichtigkeit zu entwickeln, die im „Vivace“ durch Pizzicato und immer schnellere Klavierläufe ein fröhliches Miteinander assoziieren lässt, in der die Basismelodie aufleuchtet und die Tonalität zwischen schwungvoller Rasanz und retardierenden Momenten endorphinisierend kulminiert.

Romantisch und doch ganz anders eröffnen Schumanns „Märchenbilder“ perlende, plastische Klangbilder, vorstellbar als Stimmungsporträts zwei sich liebender, sehr unterschiedlicher Charaktere auf gleicher Augenhöhe zwischen der den Ton angebenden Bratsche und der dennoch sehr raumgreifenden Tonalität des Klaviers. „Nicht schnell“ romantisch sehnsüchtig alterniert die Melodieführung fließend wie ein Gespräch zweier Liebender, das hauchzart verklingt. „Lebhaft“ entführt der zweite Satz in rasanten Tempi und markanter Rhythmik in die Natur, wobei die Bratsche ein mitreißendes Reitermotiv assoziieren lässt, dem das Klavier eigenwillig folgt, wobei sich beide immer mehr erhitzen, mitunter kurz innehalten, um wieder in die Grundrhythmik zu verfallen und sich schließlich durch abnehmende Dynamik räumlich zu entfernen. Extrem „rasch“ bauen virtuose Pizzicati eine fiebrig nervöse Atmosphäre auf, kontrastiert von akkordischer Ruhe, die sich in schwungvolle Melodien auflöst, die die Bratsche übernimmt, doch nur kurz, so dass ich der Diskurs wiederholt und intensiviert, um dann sich doch harmonisch zu beruhigen. Der vierte Satz „langsam, mit melancholischem Ausdruck“ oszilliert hauchzart zwischen glücklichen Momenten und der Wehmut nach dem Vergangenen.

Mit Brahms Sonata in Es-Dur gewinnt der dritte Part schon über die Satzbezeichnung „Allegro amabile“ eine sehr lyrische Energie. Mit weich intonierten fallenden und aufsteigenden Tonlinien interpretiert Euler „liebreizend“ das Hauptthema, das Rivinius sehr klar, mit rhythmischen Verzierungen und feinen Tonakzenten ausschmückt. Im „Andante con moto“ kulminiert das empathische Miteinander in klangschönen absteigenden Tonketten und kontrapunktorisch aufsteigenden Glissandi, die in wuchtigen Akkorden enden. Das will man nicht nur einmal hören!

Christian Euler ist begeisterter Bratscher und Kammermusiker. Er spielte unter den größten Dirigenten bei den New Yorker Philharmonikern und dem Philadelfia Orchestra. 1991 ging er nach Graz, um an der Universität für Musik und darstellende Kunst eine Professur für Viola und Kammermusik anzunehmen. Euler lebt in Graz und München.

Paul Rivinius begann mit fünf Jahren mit dem Klavierspielen, mit zehn kam das Horn dazu. Beide Instrumente studierte er in der Frankfurter Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Als Kammermusiker gastierte er in verschiedensten Ensembles in den zehn wichtigsten Konzertsälen der Welt. Zahlreiche Rundfunk- und CD-Produktionen dokumentieren seine künstlerische Arbeit. Paul Rivinius lehrte viele Jahre an der UdK und zuletzt als Professor für Klavierkammermusik an der HfM „Hanns Eisler“ in Berlin. Er lebt in München.

„Johannes Brahms Sonatas op.120 und Robert Schumanns Märchenbilder op. 113“ erschienen unter MDG 903 2353-6