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Die DDR brüstete sich mit der Gleichstellung der Frau. Torsten Körners Dokumentarfilm zeigt das Gegenteil. Die Frauen durften nicht, sie mussten arbeiten, weil der Staat pleite war. An Hand von vielen kleinen biografischen Ausschnitten und leitmotivisch immer wieder interviewten Frauen entwickelt Körner ein einfühlsames, mitunter humorvolles Kaleidoskop über die Lage der Frauen in der DDR bis zum Mauerfall…
Die Parallelen zu West-Deutschland sind verblüffend. Die Hälfte der DDR-Bevölkerung waren Frauen, aber in Männerberufen, insbesondere in der Politik völlig unterrepräsentiert. Zur Pflicht der Arbeit kam noch der gesamte Haushalt und die Fürsorge für die Kinder. Männer banden sich die Schürze nur am 3. März um, am Internationalen Frauentag. Ansonsten gaben sie wie im Westen patriachalisch den Ton in der Ehe an, was zu vielen Scheidungen führte, und in allen Ebenen der Politik. Durch die ökonomische Selbstständigkeit wuchs, politisch nicht intendiert, das Selbstbewusstsein der Frauen. Sie wollten wie die Männer mit Respekt behandelt werden, weder im Käfig in der Ehe Gefangene sein noch im politischen System. Der privaten Befreiung folgte zunehmend das politische Engagement.
In den „Unbeugsamen 2“ lässt Körner nicht nur Politikerinnen wie Brunhild Hanke, die einstige Oberbürgermeisterin von Potsdam zu Wort kommen, sondern Frauen aus verschiedensten sozialen Schichten, unbekannte Frauen vom Land und von der Stadt, darunter auch einige bekannte Künstlerinnen wie Schauspielerin Katrin Sass, die bei „Good Bye, Lenin!“ mitwirkte oder Autorin Katja Lange-Müller.
Diese kritischen Frauen standen durchaus hinter der gesellschaftlichen Idee des Arbeiterstaates, aber sie sahen auch die Diskrepanzen in der Realität. Darüber konnte auch nicht die Aufhebung des § 218 hinwegtäuschen, womit sich die DDR im Westen als frauenfreundlicher Staat in Szene setzte. Frauen wurden vom Staat und in der Ehe ausgenützt und wenn sie rebellierten, reagierten Ehemänner und Politiker scharf. Friedensdemonstrantinnen wurden eingesperrt. „Emanzipierte Frauen sind potentielle Dissidenten“, so die Autorin Irmtraud Morgner (1933-1990). Frauen brauchten sehr viel Mut ihre individuellen Lebenssehnsüchte gegen die kollektiven Zwänge zu verwirklichen.
Über Live-Interviews und historische Filmsequenzen, Fotos und Zeitungsartikel dokumentiert Körner über zwei Generationen hinweg das breite Spektrum der DDR-Frauen zwischen kollektiven Anforderungen und individuellen Wünschen. Die tristen Schwarz-Weiß-Fotografien der 1960er Jahre, wie man sie u.a. von Helga Paris kennt, weichen der Buntheit gigantischer Repräsentationsveranstaltungen und den immer wieder eingeblendeten, plakativen Kunstwerken des Sozialistischen Realismus. Gleichzeitig enthüllt die Schnitttechnik gerade im Kontrast von Militärparaden und Punk, wie die Gesellschaft und der politische Kurs immer mehr auseinander driften.
Mit dem rebellischen Statement „Wenn wir heute nichts verändern, werden wir morgen wie vorgestern leben“ der DDR-Künstlerin und Regimekritikerin Annemierl Bauer beendete Körner seinen ersten Teil der „Unbeugsamen“. Er zitiert es auch im zweiten inklusive Kinoplakat. Doch hier wird die finale Botschaft im Epilog zur humanistischen Hommage. „Frauen wollen Menschen werden. Männer wollen etwas erreichen.“
Künstlerisches Team: Torsten Körner (Drebuch, Regie), Anne Misselwitz (Kamera),
Mit: Brunhilde Hanke, ehemalige Oberbürgermeisterin von Potsdam, Landwirtin Solveig Leo, DEFA-Regieassistentin Barbara Mädler, Schriftstellerin Katja Lange-Müller, Punkerin Gabriele Stötzer, Friedensaktivistin Ulrike Poppe, Schauspielerin Katrin Sass, Schlagzeugerin Tina Powileit, Metallurgin Katrin Seyfarth, Comiczeichnerin Anke Feuchtenberger, Zahnarzthelferin Kerstin Bienert und Amrei Bauer als Tochter der Malerin Annemierl Bauer