Tomasz Wasilewski – „Die Verlorenen“ – Liebe als Gefängnis

Filmkritik "Die Verlorenen" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

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„Die Verlorenen“, 2022, ist der vierte Film des polnischen Drehbuchautors und Regisseurs Tomasz Wasilewski. Seit „In a Bedroom“ (2012) und „Floating Skyscrapers“ (2013) zählt er zu den nachgefragtesten polnischen Regisseuren. 2016 bekam er für „United States of Love“, ein unkonventionelles Familiendrama den Silbernen Bären. Jetzt präsentiert er eine noch unkonventionellere Liebesgeschichte in faszinierend dunklen Bildern, wieder gefilmt von dem renommierten rumänischen Kameramann Oleg Mutu. Tomasz Wasilewski greift Tabuthemen auf und zeigt darin die Menschen in einer Krisensituation in ihrer Verletzlichkeit, nicht weil sie schwach sind, sondern weil sich ihr Leben plötzlich durch äußere Einflüsse infolge gesellschaftlicher Dogmen ändert. Überaus empathisch und respektvoll setzt er sich mit den Emotionen seiner ProtagonistInnen auseinander. Er verurteilt sie nicht, sondern zeigt Verständnis, warum sie sind, wie sie sind und wie sie nicht sein müssten, gäbe es mehr gesellschaftliche Toleranz.

Marlena, eine ältere Hebamme, lebt mit ihrem wesentlich jüngeren Partner Tomasz abgeschieden in Harmonie am Meer. Als sie ihren todkranken Sohn Mikolaj in ihre Wohnung holt, wird das Leben für alle zur Tortur, die sie ganz allein durchzustehen hat. Jeder Satz wird zu einer Kränkung, jede Umarmung zu einer Linderung der Schmerzen und psychischen Heilung. 

Das Faszinosum der Geschichte ist die filmische Umsetzung in rätselhafte Bilder und eindringliche Töne. In absolut stillen, bewegungslosen Sequenzen wird der Pulsschlag des Elends spürbar, im sonoren Wimmern und pausenlosen Röcheln Mikolajs der existentielle Überlebenskampf, das Marlena überallhin verfolgt. Marlena kann ihre Emotionen nicht ausdrücken. Das übernehmen in Tomasz Wasilweskis Film die Natur und die Räumlichkeiten. Das wild bewegte, graue Meer verdeutlicht Marlenas psychisches Aufgewühltsein, die langen Gänge, die gigantisch großen Klinikräume ihre gesellschaftliche Isolation. Die Möwen auf dem Körper Mikolajs künden von Erlösung durch nahen Tod. Doch der enthüllt erst das wahre Familiendrama, das an dieser Stelle noch nicht verraten wird.

Künstlerisches Team:  Tomasz Wasilewski (Drehbuch, Regie), Oleg Mutu (Kamera), Maciej Pawłowski, Ilja Koster (Ton), Beata Walentowska (Schnitt)

In den Hauptrollen: Dorota Kolak (Marlena), Łukasz Simlat (Tomasz), Tomasz Tyndyk (Mikolaj)

„Die Verlorenen“ kommt am Donnerstag, 7. September, in die deutschen Kinos.