©X-Verleih
Ungleicher könnte das Paar kaum sein. Er still, zurückgezogen, nahe der Rentnergrenze, sie ein chaotisches Energiebündel, das sich ständig widerspricht. Wie Lars Kraume diese beiden Charaktere in Szene setzt, hat einen ganz besonderen Charme und entwickelt eine erfrischende Situationskomik, herrlich von Caroline Peters und Burghart Klaußner umgesetzt. Kein Wunder, denn beide haben das zugrundeliegende Theaterstück „Heisenberg“ von Simon Stephens schon bei der Uraufführung 2015 am Düsseldorfer Staatstheater gespielt.
Grete benennt alles knallhart. Alexander sei langweiliger, als er aussieht und beide beginnen zu kichern, weil sie eben doch irgendwo gemeinsame Antennen haben. Gerade weil jedes Treffen Momente absoluter Ernüchterung offeriert, für die jeder ehrlich gerade steht, baut sich allmählich ein sehr inniges Vertrauensverhältnis auf. Sie redet zwar weiterhin ohne Punkt und Komma, aber ihre Stimme wird weicher, ihre Notlügen bekennt sie schon im nächsten Satz und sie lässt ihm die Wahl, ob er den Schein oder das Sein wissen will, z. B. über ihren Sohn, den sie schon ein Jahr nicht mehr gesehen hat. Er taut wie ein Kühlschrank auf und beginnt zu begreifen, was er alles versäumt hat in seinem Leben, nachdem er sich nach einer enttäuschten Jugendliebe von allen Frauen distanzierte. Er will sich nicht mehr verlieben, ohne zu merken, dass er es schon ist. Immer mehr werden hinter den alltäglichen Rollenbildern, die liebenswürdigen Facetten dieser beiden Alltagsmenschen und ihre Veränderung durch Annäherung sichtbar, woraus sich der ungewöhnliche Titel erschließt. Nach Werner Heisenbergs physikalischer Erkenntnis (1927) kann man zwei komplementäre Körper nicht genau bestimmen, weil Raum und Impulse zu Veränderungen führen. Grete wird etwas ruhiger, Alexander aufgeweckter.
Gleichzeitig weitet Lars Kraume wehmütig den Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen. Was tun, wenn eine der letzten Stammkundinnen Hackfleisch ohne Hack für die Schwiegertochter kaufen soll? Wie fühlt sich Grete, als sie ihren Sohn in den USA besuchen will und ihn nicht findet? Trotz dieser existentiellen Enttäuschungen lassen sich beide noch einmal auf das Abenteuer ein einem Menschen zu vertrauen. Ja, es funktioniert, weil sie sich einfach mögen und sich gegenseitig so akzeptieren, wie sie sind.
„Die Unschärferelation der Liebe“ will nicht großes Kino sein wie Kraumes Film „Der vermessene Mensch“, sondern ein liebenswürdiger Unterhaltungsfilm, der Zuversicht und Mut vermittelt, sich aus der Melancholie russischer Musik im tristen Berlin zu Swinging Times in New York entwickelt.
Künstlerische Team: Lars Kraume (Drehbuch, Regie), Dorothee Schön (Drehbuch), Jens Harant (Chef-Kameramann), Peter R. Adam (Chef-Cutter), Judith Holste (Chef-Kostümbildnerin), Olaf Schiefner (Set-Dekorateur)
Mit Caroline Peters (Grete), Burghart Klaußner (Alexander), Carmen-Maja Antoni (Frau Meisner, eine Kundin)