"Kultur macht glücklich"


Florian Heinzen-Ziob – „Dancing Pina“ – eine Hommage an Pina Bauschs Tanzstil und wie er sich weiterentwickelt 

Veröffentlicht am:

von

Florian Heinzen-Ziob – „Dancing Pina“ – eine Hommage an Pina Bauschs Tanzstil und wie er sich weiterentwickelt 

©mindjazz pictures

Gerade in diesen extrem unterschiedlichen Ensemble zeigt sich die Essenz von Pina Bauschs Tanzstil und dessen latenten Weiterentwicklungsmöglichkeiten. In den Proberäumen der Semperoper „Iphigenie auf Tauris“ ganz genau nach Christoph Willibald Glucks Musik einstudiert, eine Choreographie der frühen Jahre noch bevor Pina Bauschs ihren eigentlichen, sehr freien Tanzstil entwickelte. Jeder Schritt, jede Geste interpretiert das musikalische Werk nach den Vorgaben, aber eben nicht als Kopie, sondern voller Hingabe, getanzt nach dem Gefühl unserer Zeit. Iphigenie, Orest, Pylades leiden, aber sie leiden mit Würde, lassen los und entwickeln wieder Körperspannung. Jedes Detail wird analysiert und verbessert, wobei die TänzerInnen emotional ganz in ihre Rollen abtauchen und dabei ihre eigene Mitte erleben „Ich bin ich selbst“. 

Ganz anders ist die Szenerie in der École des Sables in einem Fischerdorf in der Nähe von Dakar, wo eine gigantische überdachte Bühne mit freiem Blick auf die Savanne eine ungewöhnlich atmosphärische Tanzkulisse ermöglicht. Die TänzerInnen kommen von der afrikanischen Tanztradition oder vom Streetdance mit seiner rebellisch athletischen Kraft. Sie haben noch nie eine Ballettschule gesehen, beginnen ohne auch nur einen Schritt aus der klassischen Tanztechnik zu kennen Pina Bauschs Tanzstil zu proben. „Perfekt ist, nicht perfekt zu sein.“ Aber man muss den Puls der Gruppe und der Choreographie spüren, damit sich eine kraftvoll explosive Energie entwickeln kann. Mit unwahrscheinlicher Gruppen- und Sprungdynamik verleihen sie der legendären Choreographie „Sacre du printemps“ („Das Frühlingsopfer“, 1975) nach der Musik von Igor Strawinsky eine neue afrikanische Authentizität, die Kameramann Enno Endlicher in magischen Bildern einfängt.

Zwischendurch beleuchten die beiden Choreographinnen, einstige Tänzerinnen der Pina-Bausch-Kompanie immer wieder, worauf es ankommt, auf Emotion und Ausdruck. Lob und Ermutigung sich selbst zu tanzen stehen im Vordergrund. Es wird aber auch klar moniert, wenn Passagen langweilig, seelenlos wirken, was deutlich zu sehen ist.

Immer wieder werden die TänzerInnen selbst nach ihrer Meinung gefragt. Der Tenor ist ähnlich. Sie begreifen den Tanzstil Pina Bauschs als große Befreiung von den Frustrationen, die sie teilweise bei der klassischen Ballettausbildung erlebten. Sie genießen es ihre Persönlichkeit entfalten zu können, trainieren sehr ehrgeizig, um die gesteckten Ziele zu erreichen und sind stolz Teil dieser Kompanie zu sein, um zeigen zu können, dass sie entgegen des afrikanischen Vorurteils, Tänzerinnen seien Prostituierte, wertgeschätzte Künstlerinnen sind. 

Die Premieren zeigen die grandiosen Ergebnisse, expressiv reduziert im prunkvollen Ambiente der Semperoper. In Afrika verhindert Covid sämtliche geplanten Aufführungen. So wird am Strand bei Seewind in der Abendsonne getanzt und gefilmt, wobei diese Choreographie noch energetischer in zauberhaft magischen Bildern eingefangen wird.

"Dancing Pina" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©mindjazz pictures

Ja, Choreografien können und sollen sich weiterentwickeln. Insofern ist Florian Heinzen-Ziobs dokumentarischer Tanzfilm auch ein wichtiger Meilenstein für die Erinnerungskultur des Tanzes. 

Künstlerisches Team: Florian Heinzen-Ziob (Drehbuch, Regie), Enno Endlicher (Kamera)