Dokumentarfilm – „Die Unbeugsamen“ von Torsten Körner

Mit Gruppenbildern nur mit Männern, untermalt mit der fulminanten Bläserpartie aus Dvoraks Symphonie Nr. 9, dirigiert von Herbert von Karajan, gespielt ebenfalls nur von Männern beginnt die Dokumentation „Die Unbeugsamen“. Gemeint sind allerdings nicht Männer, sondern die ersten wehrhaften Politikerinnen der Bundesrepublik Deutschland. Unter der klugen Regie von Torsten Körner gelingt  aus Archivmaterial und Live-Interviews eine aufschlussreiche Collage, die den Weg etlicher Politikpionierinnen in einer unglaublich arroganten Machogesellschaft zeigt. Torsten Körner weder argumentativ noch wertend ein, lässt das Dokumentationsmaterial sprechen. Ja, es hat sich viel geändert in Deutschland. Selbst Straßen sind inzwischen nach Frauen benannt. Der Film endet hoffnungsfroh mit einem Gruppenbild von Politikerinnen, dazu schwungvolle Musik  von der litauischen Dirigenten Mirga Gražinytė-Tyla.  Trotzdem gilt immer noch „Frauen, wenn wir nichts tun, leben wir morgen wie vorgestern“ (Annemirl Bauer)…

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„Wenn ich machtlos bin, bin ich ohnmächtig“, konstatiert Herta Däubler-Gmelin (SPD). „Macht ist ein Mittel sich durchzusetzen“. Frauen hatten durch ihre Leistungen während des Krieges und danach als Trümmerfrauen bewiesen, wie hart und selbstständig sie arbeiten können. Doch in den 1960er Jahren wurde das Frauenbild wieder ganz auf männliche Bedürfnisse zurückgeschraubt. Sich für ihre Männer hübsch  machen, sie anhimmeln und gut kochen, hieß die Devise, ständig über Werbung und Filme multipliziert. „Politik galt als unweiblich“ so Ursula Männle (CSU).

Regisseur Torsten Körner lässt in den Archivfilmen die jungen Politikerinnen sehr präzise zu Wort kommen oder rückblickend ihre Situation kritisch kommentieren. Entlang unterschiedlicher Themenkreise, deren Titel durch Dokumentationsmaterial satirischen Biss bekommen, entwickelt er ein klar strukturiertes Drehbuch der Geschichte der deutschen Politikerinnen. Immer wieder schweift die Kamera über leere Räume, Stuhlreihen und Rednerpulte, als wären sie Einladungen für Politikerinnen. Doch die Männer nehmen Platz. 

„Meine Herren“ war die übliche Anrede in den Ausschüssen. Kam tatsächlich eine Frau dazu, war sie eben „in diesem Kreis auch ein Mann“. Ministerin zu werden, war zunächst undenkbar, Kanzlerin völlige Utopie. Die männlichen Kollegen gingen davon aus, dass Frauen ohnehin bald wieder ausscheiden würden. Ignorieren, ironische Kommentare, hämisches Grinsen waren an der Tagesordnung.

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Rita Süssmuth (CDU) war eine, die blieb. Man lobte sie aus dem Amt Familienministerin (1985-1988). Aber sie setzte sich auch unermüdlich für die Sache der Frauen ein. In allen Parteien meldeten sich Frauen zu Wort und zeigten ein unbeugsames Profil, wie Hildegard Hamm-Brücher (FDP) bei dem Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt 1982 mit ihrer klaren Stellungnahme für Schmidt.

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Zunächst Einzelkämpferinnen, „Rebellinnen“, zeigten Frauen schnell Solidarität gegen „Mad Men“ nicht nur bezüglich der Übergrifflichkeiten der Männer.  „Warum geht die in die Politik, die ist doch gar nicht so hässlich“, waren die üblichen Kommentare, ganz zu schweigen vom Anfassen, Busengrapschen und Pokneifen als selbstverständliches Anbaggern. Die Balance sich zu wehren, ohne sich Todfeinde zu schaffen, war nicht einfach. Eine eloquente Meisterleistung wurde diesbezüglich die Bundestagsrede der Gründen-Abgeordneten Waltraud Schoppe 1983, in der sie den Sexismus im Parlament thematisierte und die Strafbarkeit bei Vergewaltigung in der Ehe forderte. „Wir (Frauen) werden gesellschaftlich normiert“ und zwar bis zur männlichen Penetranz „Unter deutschen Decken“, ohne dass sich die Männer Gedanken über Schwangerschaftsverhütung machen. Auf ihre Rede folgte ein regelrecht wirtshausmäßiger Tumult, worauf sie souverän erklärte „Ich merke ich habe das Richtige gesagt. Es hat Sie getroffen.“ 

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Zwar benehmen sich heute Politiker smarter, kontrollierter, aber die Erfahrungen und Statements dieser „Unbeugsamen“ treffen noch immer ins Schwarze, denkt man andie MeToo-Debatte, die ungleiche Lohnsituation, an die Absichten der Rechten die Frauen wieder an Herd und Kind zu binden. 

„Krieg und Frieden“ zeigt den großen Unterschied. Frauen machen die Basisarbeit, Männer zerstören. Als Christa Nickels (Bündnis 90/Die Grünen) angesichts des Hiroshima-Gedenkens Helmut Kohl eine Kette von gefalteten Kranichen schenkte, zeigte die Kamera die hämischen Gesichter der männlichen Kollegen. „Wir brauchen keine neuen Raketen, wir brauchen neue Männer.“ Auch dieser Satz hat heute noch, wenn auch modifizierte Gültigkeit genauso wie „Mehr Frau wagen“. Seinerzeit wirkte Ingrid Matthäus-Maier (FDP, dann SPD)  als 26-jährige mit Kleinkind wie ein Paradiesvogel, deren politische Resolutheit und Umsetzungskraft jedoch nicht wie bei Männern als „entscheidungsfreudig“ honoriert, sondern als aggressiv kritisiert wurde.

Petra Kelly (Die Grünen) wurde von den Medien zur Ikone der neuen grünen Frauenbewegung hochkatapultiert. Sie wollte einen respektvollen, achtsamen Umgangston und erntete das Gegenteil, gnadenlose Häme, die sie immer mehr verunsicherte. Durch die Gegenüberstellung von „Petra und Hannelore“ macht Torsten Körner die brutale Rigorosität der politschen Männerwelt inklusive Journalisten deutlich. Petra Kelly, von den Kollegen verhöhnt, Hannelore Kohl von der Öffentlichkeit völlig unterschätzt und den Medien diskreditiert endete das Leben beider Frauen überaus tragisch.

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Mit der Rede von Christa Nickels eröffnet Torsten Körner den Blick auf die Problematik nationalsozialistischer Väter aus der Sicht von deren Familien. Christa Nickels bekennt sich öffentlich zu ihrem „Papa“, der im Alltag durchaus ein liebenswürdiger Vater war, aber im nationalsozialistischen System durch seine Pflichterfüllung zum Verbrecher wurde.

Der Film „Die Unbeugsamen“  beweist, dass Frauen durchaus etwas bewegen können.

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Sie können auch Kanzlerin, ein Amt, das auch Renate Hellwig (CDU) schon gerne innegehabt hätte, aber dafür war die Zeit noch nicht reif. Gerade an der 16-jährigen Kanzlerschaft Angela Merkels sieht man, was sich politisch zugunsten der Frauen verändert hat und was längst überfällig zum Nachjustieren ist: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.