©Goldmann Verlag, 2023
Was essen wir da eigentlich? Welche ökologischen Konsequenzen ergeben sich aus der globalen Lebensmittelproduktion? Was kann jeder einzelne dazu beitragen, dass sich das Lebensmittelangebot qualitativ und ökologisch verbessert? Sehr umfangreich recherchiert, systematisch dargestellt, mit vielen persönlichen Beispielen, Erfahrungen im Vergleich zum Lebensstil der Großeltern veranschaulicht und sehr einfach im Gesprächsduktus formuliert vermittelt Katarina Schickling Wissen über die Lebensmittelherstellung, Bewusstsein für den „Klimarucksack“ von Lebensmitteln und einen Lebensmittelkompass für die Orientierung im „Kennzeichendschungel“.
Die Qualität dieses Ratgebers ist die Vernetzung von Lebensmittelqualität und ökologischer Belastung, die Katarina Schickling umfassend an 14 verschiedenen Lebensmittelrubriken darstellt. Es genügt nicht nur auf die Kohlendioxydbelastung bei der Tierzucht und Agrarwirtschaft zu achten. Danach hätte Butter die höchste Ökobelastung von allen Lebensmitteln. Doch bei anderen Fetten wie Palm- oder Kokosfett kommen die weiten Transportwege und der hohe Wasserbedarf dazu, infolgedessen Wassermangel und Abholzung in den Erzeugerländern und jede Menge Plastikfolien und Verpackungsmaterial bei der Herstellung von Gemüsen. Allein im spanischen Almería entstehen jährlich 450 Millionen Tonnen Gewächshausfolie, die wegen der Verschmutzung nicht recycelt werden können.
Extrem schwierig ist inzwischen die Nachverfolgung, wo Lebensmittel eigentlich herkommen. Es genügt der letzte Herstellungsprozess, z. B. beim Eindosen von Tomaten, um die Ware aus Italien zu deklarieren, obwohl Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Kräuter aus ganz verschiedenen Ländern kommen, sehr oft aus China, wo es gar keine Qualitätskontrollen gibt. Noch schlimmer sind die Fertigprodukte, deren Kennzeichnungen vieles völlig vage zulassen. Zusatzstoffe wie der gesundheitsschädliche Geschmacksverstärker Glutaminsäure muss angegeben sein, doch gewonnen aus erlaubten „Zutaten“ wie Aromen, Hefeextrakt und Würze ist er dennoch in vielen Fertigprodukten zu finden. Dasselbe gilt für Zucker, der in 36 „Zutaten“ selbst in Natur-Milchprodukten versteckt ist. Wegen der Zutaten entpuppen sich gerade Vegan-Produkte oft als industrielles Gepansche von Öl, Stärke und Aromastoffen.
Katarina Schickling hat sich die Mühe gemacht, die vielen Labels und Kennzeichnungen mit den Richtlinien dahinter systematisch gegenüberzustellen, wobei weder die Fleisch-Güteklassen noch die EU-Siegel einen echten Qualitätsanspruch einfordern. Die Regionallabels der Bundesländer weisen mitunter in der Qualität große Abweichungen auf. Im Grunde ist nur auf die zertifizierten Biosiegel Demeter, Bioland, Naturland und auf den Eier-Code Verlass. Käfigeier werden in Supermärkten inzwischen kaum noch angeboten, weil sie nicht gekauft werden. Hier offeriert sich der Wirkungsgrad jedes Einzelnen durch Konsumverzicht.
Prinzipiell sind Lebensmittel vom Markt, vom Hofladen, aus der Region oder dem Bioladen vorzuziehen, möglichst frisch und ohne Verpackung, bei exotischen Früchten, Gemüsen gilt fairtrade als Minimumstandard wenigstens bezüglich der Lohnsicherung der Erzeuger.
Katarina Schicklings Buch unterstreicht einmal mehr die These. „Es wird produziert, wofür es einen Markt gibt.“ Den bestimmen die Konsumenten. Statt immer mehr und billiger, müsste regional und national viel mehr in überschaubaren Einheiten für den eigenen Verbrauch produziert werden, damit sich die Menschen gesünder ernähren können und die Erzeuger nicht um ihr Einkommen geprellt werden. Unter „Besser Einkaufen“ listet Katarina Schickling bewährte und neue Internet-Adressen von Ökokisten über Crowdfarming bis zum Codecheck auf. „Mein Lebensmittelkompass“ zielt auf ein besseres „Essen für die Zukunft“ und stößt wichtige Überlegungen an, den eigenen Lebensstil auf die ökologische Auswirkungen zu hinterfragen.
Katarina Schickling ist Dokumentarfilmerin, Ernährungsexpertin und Autorin mit Schwerpunkt auf Nahrungsmitteln und der dazugehörigen Industrie. Als Expertin wird sie in zahlreichen Medien immer wieder zurate gezogen, wenn es um Essen und umweltbewusstes Leben geht. Sie lebt und arbeitet in München.
Katarina Schickling „Mein Lebensmittelkompass“, Goldmann Verlag, München 2023, 298 S.