©zu Klampen Verlag, 2022
Vor geschichtlichem, literarischem, philosophischem Hintergrund zeichnet er das Verhältnis zwischen Herrn und Knecht nach, nicht chronologisch, sondern in essayistischer Buntheit.
Schon den Adeligen und Rittern des 13. Jahrhunderts war alles erlaubt, nur eines nicht, zu arbeiten. Das unterschied die Stände vom Bauernvolk und schuf die soziale Abgrenzung von Herren und Dienern, der Klasse der Müßiggänger und der produktiv arbeitenden Masse.
Großen Raum gewährt Ulrich Greiner den Engeln als Dienstboten Gottes ihm treu ergeben in Wort und Tat, nur der gefallene Engel Luzifer herrscht lieber als Satan in der Hölle als im Himmel zu dienen. Woher allerdings Gottes Dienstboten kommen, bleibt ungeklärt.
In seinem letzten Essay „Über die Freiwilligkeit“ lässt er die Strukturen des Dienens noch einmal Revue passieren, gleitet elegant von den hierarchischen Strukturen der Messdiener über die Regularien in Klöstern über zum staatlich erhobenen Klimagott, vom dem man sich zwar nicht wie einst durch Ablasshandel, aber mit Zertifikaten von Umweltsünden freikaufen kann und landet schließlich bei den Minnesängern als Diener der Liebe, wobei er sachlich allerdings nicht ganz ins Schwarze trifft, da die Minnesänger die Ständeregeln einhielten, durch Lobpreis der Herrin nicht Liebe, sondern materielle Entlohnung durch den Burgherrn anvisierten.
Dass „Ungleichheit und gegenseitiger Respekt gut miteinander koexistieren können“ ist Ulrich Greiners Resümee, vorausgesetzt die Dienerschaft hatte das Gefühl„ eine ehrbare Stelle innezuhaben“. Unter Anerkennung der unterschiedlichen sozialen Zuordnung konnte das Verhältnis sogar freundschaftlich sein. Eine ordentliche Dienerschaft war unabhängig von ökonomischen Kostenrechnungen unerlässlich, um das Image der Herrschaft aufzuwerten.
Im Verlauf des 20. Jahrhundert verbürgerlichten die Dienstboten, nicht zuletzt durch die Technisierung in der Landwirtschaft und in den Haushalten, noch verstärkt durch die Digitalisierung. Dabei dreht sich das Diener-Herr-Verhältnis immer öfter um. Der Computer übernimmt die Ansage, nach der der Herr zu agieren hat. Gleichzeitig wird Selbstverständlichkeit familiären Dienens immer mehr in Frage gestellt. Die Alten sind im Seniorenheim, die Kinder in der Kita und die Eltern nicht am Mittagstisch, sondern am Schreibtisch. Freiwilliges Dienen ist nicht mehr Privatsache, sondern öffentliche Angelegenheit. Der Staat, früher oft der Feind, ist nun „Vater“ und „universaler Dienstbote“ zuständig für die Fürsorge, die der einzelne nicht schafft.
©zu Klampen Verlag, 2022
Ulrich Greiner (*1945) arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft als Feuilletonredakteur bei der „Frankfurter Zeitung“, später bei der „Zeit“, wo er verantwortlicher Leiter des Ressorts Literatur wurde. Er lehrte als Gastprofessor in verschiedenen deutschen Universitäten und in St. Louis, USA. Von 2001 – 2020 war er Präsident der Hamburger Freien Akademie der Künste.
Ulrich Greiner: „Dienstboten – Von den Butlern bis zu den Engeln“ , zu Klampen Verlag, Springe 2022