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Über Generationen hinweg hat sich unsere Sprache weiterentwickelt mit der Absicht die Welt um uns herum besser zu verstehen. Sprache wurde und wird aber auch immer als Manipulationsmittel verwendet. Tim Henning, Nikola Kompa und Christian Nimtz mit Professuren für Theoretische bzw. Praktische Philosophie, analysieren…
„Die dunkle Seite der Sprache – Wie Worte ausgrenzen, abwerten und manipulieren“ entfaltet das Autorenteam aus der Perspektive mit akribischer Auswertung von sprachwissentschaftlichen Analysen, die allerdings mehr linguistische Experten interessieren dürfte als den praxisorientierten Leser.
An den zahlreichen neuen Metaphern, die durch die Probleme der letzten Jahre entstanden, wird deutlich wie durch die Kombination von konträren Begriffen semantische Überschreibungen entstehen, die „unwiderstehlich“ sind, weil sich diese Sprachbilder sofort im Gedächtnis einprägen. Technische Innovationen werden oft mit Begriffen aus der Natur benannt. Das Wort „Cloud“ beispielsweise erklärt noch lange nicht die Technologie, vermittelt stattdessen kosmische Weite und einen bewusst gesetzten Bezug zur Natur, bleibt aber insgesamt neutral. Ganz anders führte die „Flüchtlingswelle“ zu einer Wahrnehmungseinengung, zu negativen Emotionen und einer kollektiven Abwertung von Menschen. Derartige Sprachbilder ermöglichen Komplizenschaft, fördern Populismus und wirken gesellschaftspolitisch spaltend. Sprachreflexion und Widerstand durch Umdeutung fehlen in der Regel.
Die sechs pointiert formulierten Kapitelüberschriften machen neugierig, indem sie gesellschaftliche Prozesse und sprachliche Entwicklungen fusionieren. „Neue Flüchtlingswelle droht im Herbst“ liefert den Hintergrund um „die manipulative Macht der Metapher“ darzulegen. „Schwarze haben so ein tolles Rhythmusgefühl“ entlarvt die Diskriminierung hinter generischen Aussagen. In „OK Boomer“ wird erklärt, wie Herabsetzungswörter funktionieren, in „Davon verstehst du nichts“ die Formen kommunikativer Entmächtigung. „Wir fordern ein Ende der digitalen Entmündigung“ zeigt anhand von Diskursdynamiken die Möglichkeiten unterdrückender Reden und final wird in „Der Premierminister ist ein Reptilienmensch“ die Macht der Lüge gegenüber der Wahrhaftigkeit analysiert, die oft ins Absurde zielt und gerade durch Fragen nach der konkreten Realisierung in ihrer Fiktionalität deutlich wird.
Sechs Seiten Glossar helfen den Fachwortschatz zu verstehen. 10 Seiten Anmerkungen und 12 Seiten Literaturverzeichnis zeugen von der exakten wissenschaftlichen Arbeitsweise.
Genau das, aber auch die exemplarischen Wiederholungen machen die Lektüre so langatmig. Kapitelresümees fehlen. Die Aussagen an sich sind sehr interessant und machen die sprachlichen Unterdrückungs- und Diskriminierungsprozesse sehr deutlich. Wer sich dafür interessiert, wird seine Freude mit der „Dunklen Seite der Sprache“ haben.
Tim Henning, Nikola Kompa, Christian Nimtz: „Die dunkle Seite der Sprache“, C.H. Beck Verlag, 2025, 222 S.