©Thieme-Verlag 2023
Dr. Susanne Huber ist Biologin und Lehrbeauftragte und assoziierte Wissenschaftlerin am Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien. Sie forscht in den Bereichen evolutionäre Grundlagen menschlichen Verhaltens, Epigenetik, frühkindliche Entwicklung und Faktoren, die diese beeinflussen.
Sehr strukturiert, im 2-Spalten-Druck mit einigen Schaubildern definiert sie die Merkmale des Asperger-Syndroms, 1944 nach einem Wiener Arzt benannt, heute im Diagnosehandbuch der WHO als „Autismus-Spektrum-Störung“ bezeichnet. Kontaktschwäche, geringes Selbstwertgefühl, Schwarz-Weiß-Denken, gewisse Ängstlichkeit, fehlende nonverbale Kommunikation, lässige statt modische Kleidung, empfindliche Reaktion auf Sinnesreife und Bedürfnis sich aus der Welt zurückziehen zu wollen sind Eigenschaften, die auch andere Kinder haben. Bei Aspergern treten diese Symptome allerdings so konzentriert auf, dass sie die erwarteten Sozialisationsnormen nicht erfüllen, wodurch „Asperger“ schnell als Außenseiter stigmatisiert werden.
Susanne Huber erklärt nicht nur die Ursachen von Erbanlagen bis zu den speziellen Belohnungsreizen im Gehirn, die nicht durch Mitmenschen, sondern durch spezielle intrinsische Interessen erfolgen, wodurch bei diesen Kindern schon im Babyalter die nonverbale Sozialisation zu kurz kommt.
Sie betrachtet die gängigen Vorurteile aus unterschiedlichen Perspektiven. Sind Asperger tatsächlich empathielos? Haben Sie keinen Humor? Sind alle Mathe-Genies? Ihr Resümee ist, dass diese Klischees zwar einen Funken Wahrheit beinhalten, aber viel zu pauschal sind, ohne auf die individuellen Ausprägungen einzugehen. Mit Beispielen aus Film und Fernsehen belegt Susanne Huber die Schwierigkeiten, aber auch die Qualitäten von Aspergern und widmet deren „Positiven Eigenschaften, Talenten und Qualitäten“ ein eigenes Kapitel. Beispielsweise handeln Asperger viel vernünftiger, weil sie nicht emotional beeinflussbar sind. Greta Thunberg bezeichnete Asperger als „Superkraft“. Es kommt letztendlich auf den Blickwinkel an. Der Denkstil von Aspergern ist system- und evidenzgesteuert. Konzentrationsvermögen und die Aufmerksamkeit für das Detail sind außerordentliche Qualitäten, werden aber gesellschaftlich immer noch vorwiegend negativ bewertet.
Das Buch macht allen Mut, die mit dem Syndrom konfrontiert sind, und bietet zusätzlich eine Reihe von Kontakten.
Dr. Susanne Huber: Asperger als Chance. Die besonderen Fähigkeiten von Menschen mit Asperger erkennen und stärken, Trias Verlag, Stuttgart, 2023, 126. S