Michael Brückner – „Die Akte Wikipedia“ 

Buchkritik "Die Akte Wikipedia" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Kopp Verlag, 2024

Dass Wikipedia-Gründer Jimmy Wales mitunter als „wohlwollender Diktator“ des freien Wissens bezeichnet wird, verwundert nicht, er hat ein einzigartiges Monopol gespeicherten Wissens aufgebaut. Michael Brückner zeigt das hierarchische System hinter den Kulissen und die Machtkämpfe bei Veränderungen der Texte durch Weglassungen oder Hinzufügungen. Neben den Hobby-Autoren, größtenteils StudentInnen und (Früh)-RentnerInnen, die ohne Entgelt und Namensnennung sehr viel Zeit für ihre Autorenschaft in Wikipedia investieren, sind viele Lobbyisten und internationale Presseagenturen aktiv, die im Auftrag Dritter Texte im Sinne von unternehmerischer Imageprofilierung und ideologischer Propaganda manipulieren. Wikipedia-Autoren greifen oftmals auf die Recherchen von professionellen JournalistInnen zurück, umgekehrt verwenden diese Wikipedia als Informationsquelle, wodurch sich ein fataler Kreislauf von Fehlinformationen ergeben kann. Michael Brückner stellt auch die Finanzierung von Wikipedia durch die Wikimedia Foundation in San Francisco nach US-amerikanischem Recht zur Diskussion. Die jährliche Spendenbereitschaft ist selbst in Krisenzeiten enorm, wobei Jimmy Wales‘ charismatische Persönlichkeit als Foundraiser eine große Rolle spielt. Die Spendenlisten belegen, dass viele große Konzerne, wie Goldman Sachs, Microsoft oder Google sehr große Beiträge spenden. Inzwischen ist Wikipedia ein Milliardenunternehmen, wobei große Anteile für Personalkosten und Vorstand verwendet werden.

Michael Brückner geht es nicht darum Wikipedia unter den Generalverdacht der Informationsmanipulation zu stellen. Gerade wissenschaftliche Beiträge sind oft von „erstaunlich guter Qualität“, historische Texte sehr umfassend. Aber bei politisch gesellschaftlichen Problemen ist durchaus Vorsicht geboten. Wie Google unter den Suchmaschinen, ist Wikipedia unter den Online-Enzyklopädien „unangefochtener Platzhirsch“ und „Quasi-Monopolist des gespeicherten und frei zugänglichen Wissens“. Wichtig ist das Bewusstsein, dass Wikipedia aufgebaut von einem Heer anonymer Autoren nicht immer stimmt und hinterfragt werden muss. Es ist ist eine wichtige Informationsquelle, darf aber bei Recherchen nicht die einzige sein.

Michael Brückner (1958*) arbeitet als freier Journalist, Autor und Kommunikationsberater in Ingelheim bei Mainz und in Lindau am Bodensee. Vor dem Beginn seiner Selbstständigkeit im Jahr 1995 war er Redakteur der „Mainzer Allgemeinen Zeitung“ und später Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins „Europa“. Er veröffentlichte mehrere Dutzend Bücher zu Finanz-, Europa- und Marketingthemen. 

Michael Brückner – „Die Akte Wikipedia“, Kopp Verlag, Rottenburg 2014, S.128