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Mariana Mazzucato „Wie kommt der Wert in die Welt? Von Schöpfern und Abschöpfern“

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Mariana Mazzucato „Wie kommt der Wert in die Welt? Von Schöpfern und Abschöpfern“

©Campus Verlag, 2021

Mazzucato erklärt die komplexen Prozesse verständlich, blickt zurück in die Geschichte der Ökonomie, wie sich die Definition des Wertes über die Epochen hinweg veränderte, belegt ihre Aussagen mit vielen, allerdings teilweise sich wiederholenden Beispielen. Sie will die Debatte über Geben und Nehmen neu entfachen, weg von trivialer Konsumsteigerung zu sinnvollen nachhaltigen Innovationen, und plädiert für „einen neuen Kapitalismus, von dem alle etwas haben“. Der Staat soll nicht nur der „Steigbügelhalter“ der Wirtschaft sein, sondern ein Wertbewusstsein für kollektive Aufgaben schaffen und daran aktiv mitarbeiten. Wer Mazzucatos Buch liest, bekommt eine Vorstellung, wie vampirisch heutzutage Gewinne für die persönliche Konsumbefriedigung abgesaugt werden und die Wertschöpfung für die Allgemeinheit sich immer mehr reduziert.

In einer „Kurzen Geschichte des Werts“ rollt Mazzucato die historische Entwicklung und Veränderung des Wertbewusstseins vom 17. bis zum 20. Jahrhundert auf. Sie entdeckt in den vergangenen klassischen Ökonomietheorien die Parallelen zur Gegenwart. 

Vor Adam Smith galt allein der Boden als Wert. Er und in Folge David Ricardo entwickelten eine Arbeitswertheorie auf Grund der geleisteten Arbeit. Karl Marx war der erste Ökonom, der die Arbeitskraft in ihrer sozialen Dimension und als Hauptquelle der Kapitalisten erfasste, die Verwendung des Mehrwerts und zinstragenden Kapitals hinterfragte und die Ausnutzung der Arbeiter offenlegte. Schon damals begann der „Finanzsektor zum Casino zu verkommen“. Gewinne wurden privat verkonsumiert statt sinnvoll investiert. 

Im „Aufstieg zum Casinokapitalismus“ beschreibt Mazzucato, wie die Wertlehre durch die Preislehre ersetzt wurde. Die wachsenden Finanzmärkte schufen keine Werte mehr, sondern verteilten sie nur. Das Spiel von Verlierern und Gewinnern entwickelte sich in gigantische Dimensionen, wobei die Risiken sozialisiert, die Gewinne privatisiert wurden und werden. 

Mazzucato fordert im Gegenzug langfristige Anlagen anstelle des „Nanosekundenhandels“ an den Börsen. Sie wendet sich gegen das kurzfristige Denken der Shareholder-Maximierung seitens ehrgeiziger Manager, deren„kometenhafte Gewinne“ in ihre privaten Taschen fließen. Analysten degradiert sie zu „Cheerleadern“, die ohne gesellschaftliche Verantwortung nur die kurzfristigen Gewinne im Auge haben. Es kann nicht sein, dass der Staat die Risiken übernimmt und die Firmen die Gewinne privatisieren, die Verbraucher zweimal zur Kasse gebeten werden, bei den Steuern und bei den Endpreisen. Ausführlich geht Mazzucato auf die Nachteile des bisherigen Patentrechts ein, das Innovationen in der Fläche verhindert und Konkurrenz ausschaltet, statt durch Konkurrenz der besten Ideen nachhaltige Innovationen voranzutreiben.

Geprägt von der Neue Politischen Ökonomie rutschte der Staat immer mehr in die Rolle des ineffizienten Versagers. Der Markt wurde zum Vorbild für den Staat. Seine „Vermarktlichung“ sollte die Effizienz steigern, wobei das Outsourcing öffentlicher Dienstleistungen bezüglich der Infrastruktur wie Bahn, Strom, Gesundheitswesen, Bildung an private Finanzinitiativen sich inzwischen oft als Fehlgriff, viel kostenintensiver und das Allgemeinwohl vernachlässigend erwies.

Im Gegensatz dazu unterstreicht Mazzucato ganz im Sinne von Keynes’ Werttheorie die Bedeutung des Staates als Wertschöpfer. Jede staatliche Investition nach dem Schneeballprinzip initiiere eine Reihe von weiteren Investitionsrunden und schaffe Werte. 

Mazzucato kämpft gegen das Vorurteil „privat ist gut, öffentlich schlecht.“ Sie propagiert, dass der Staat selbstbewusst auftritt, groß denkt, Aufgaben gerade deshalb angeht, weil sie schwierig sind. Der öffentliche Wert staatlichen Investierens muss wieder ins Bewusstsein rücken. Immerhin hat der Staat im 20. Jahrhundert die Infrastruktur geschaffen, auf der die Unternehmen sich entwickeln konnten. Fehler können passieren. Auch in der freien Wirtschaft funktioniert nicht alles. Der Staat sollte „der Schoß sein, in dem Märkte heranwachsen und groß werden und mit dem Staat interagieren.“

Mazzucato sieht den Staat als visionären Vorreiter, ist statt für eine Austeritätspolitik für nachhaltige Investitionen für das Allgemeinwohl und eine stärkere Besteuerung von Spekulanten. 

Das erklärt, warum Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck Mazzucato öffentlich als sein persönliches Vorbild nimmt.

Doch was ist, wenn die Visionen, wie bei der derzeitigen Energiewende mit der Elektromobilität in Deutschland in eine völlig falsche Richtung abdriftet, weil sie energetisch überhaupt nicht abgesichert ist und durch horrend steigende Stromnachfrage gerade die Energieproduktion Aufschwung bekommt, die man schon abgeschafft hat? Dann entpuppen sich die Visionen schnell als einstürzende Kartenhäuser. 

Insofern regt Mazzucatos „Wie kommt der Wert in die Welt? Von Schöpfern und Abschöpfern“ tatsächlich die Debatte an, aber eine kritischere, als sie diese  in ihrem Buch zeichnet.

Mazzucato "Wie kommt der Wert in die Welt" präsentiert von schabel-kultur-blog.de

Mariana Mazzucato ist Direktorin und Professorin für Innovationsökonomie und Public Value des Institute for Innovation and Public Porpose am University Collage London. Sie berät Politiker in der ganzen Welt zu Fragen eines nachhaltigen Wachstums, zur Zeit ist sie Sonderberaterin des EU-Kommissars für Forschung, Wirtschaft und Innovation des Generalsekretärs der OECD. 2014 erschien ihr vielbeachtetes Buch „Das Kapital des Staates“. Es folgten Auszeichnungen wie der Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik (2015), der Leontief-Preis zur Erweiterung der Grenzen ökonomischen Denkens. 

Mariana Mazzucato „Wie kommt der Wert in die Welt? Von Schöpfern und Abschöpfern“, Campus Verlag Frankfurt, 2021, 407 S.