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Manfred Lütz „Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg?“

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Manfred Lütz „Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg?“

©Herder Verlag

Kernberg gibt sich bescheiden, erklärt sehr einfach und verständlich, allerdings nichts, was ein Leser, der sich für die Materie interessiert, nicht schon wüsste. Voraussetzung für die Erfolge einer Therapie ist für Kernberg ein ehrlicher, authentischer und empathischer Therapeut, der die Techniken beherrscht und auf dem aktuellen Wissensstand ist. Wie in jedem Beruf gibt es auch hier schwarze Schafe, vor allem wenn Psychotherapeuten narzisstische Persönlichkeitsstörungen aufweisen, was Kernberg mit etlichen Beispielen aus der Praxis veranschaulicht. 

Nach Kernberg erzielt man durch Verhaltenstherapie partielle Erfolge bei kleineren Verhaltensbeeinträchtigungen, beispielsweise bei Phobien. Grundlegende Probleme bei Verhaltensweisen, die konträr zu den geltenden Einstellungen und Werten einer Gesellschaft laufen, erfordern psychoanalytische Methoden. Als Maxime gilt, dass stabile menschliche Beziehungen normale Verhaltensweisen fördern. 

Doch das Kernthema „Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg“ gleitet schon nach drei von zehn Kapiteln in eine biografische Rückschau ab.

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Zum ersten Mal spricht Kernberg darüber, wie er als Junge jüdischer Eltern den Antisemitismus der Nationalsozialisten in Wien erlebte, mit den Eltern nach Chile flüchtete, dort eine neue Heimat fand, in den USA ein Stipendium bekam und sich als erfolgreicher Psychotherapeut der alten Heimat Wien und Deutschland wieder näherte. 

Seine Vita tangiert automatisch die Frage nach dem Ursprung des Bösen, der durchaus individuell pathologische Wurzeln haben kann, sich aber wie im Fall des Nationalsozialismus als sozial unabhängige Kraft entsteht.

Über das Phänomen des Bösen entwickelt sich das Gespräch Richtung Religion. Kernberg, in jüdischen Ritualen aufgewachsen, später Atheist, Kommunist,  jüdisch-katholisch verheiratet, sieht durchaus einen „höheren Willen“, sprich Gott, hinter den gigantischen neurologischen Prozessen, die die Gehirnwissenschaft derzeit erforscht.

Er selbst schätzt die Nächstenliebe im Christentum, den personalisierten Gott in der Figur Christus, der die Menschen liebt,  im Judentum die permanente Suche nach der Wahrheit, den ritualisierten Alltag, um mit Gott ständig in Verbindung zu sein, den Mut und die Tapferkeit Hass und Verfolgung zu ertragen. 

Mit der Gelassenheit und Einsicht eines in sich ruhenden Menschen beantwortet Kernberg alle Fragen querbeet von Freud bis Hannah Arendt, von der Liebe zur Kunst bis zur Partnerschaft. Den Orgasmus sieht er als einen Moment der Ekstase mit zeitlicher Entgrenzung, den Lebenssinn im Spaß haben „und die beste Art Spaß zu haben ist zu lieben und zu arbeiten“. 

Manfred Lütz „Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg?“, Herder Verlag, Freiburg, 180 Seiten, 20,00 €