"Kultur macht glücklich"


Lisa Eckhart „Omama“

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Lisa Eckhart „Omama“

©Paul Zsolnay Verlag

Omamas Stammbaum ist nicht fein, kriegsgeschädigt. Hässlich, aber gscheit war die Omama als Kind im Gegensatz zu ihrer schönen, aber doofen Schwester. Der arbeitslose Vater blüht auf, als die Russen nach dem Zweiten Weltkrieg einquartiert werden, Kartenspiel und Schnaps für gute Stimmung sorgen. Später müssen die Mädchen, wie die Mutter es bestimmt, bei unterschiedlichsten Herrschaften arbeiten. Helga hilft  der Wirtin in der Küche, angelt sich ihren Sohn, den Dorfschönen, avanciert zur Dorfwirtin und wird Kaffee- und Schmuggelfahrten nach Ungarn organisierend, allerorten handelnd und putzend zur großen Respektsperson im Dorf, die im hohen Alter mit ihrer Enkelin auf Kreuzfahrt geht. 

Diese simple, geradlinige Geschichte bläht Lisa Eckhart zum ländlichen Panaromabild dümmlichster Dorftypen auf. Genussvoll schildert sie alle erdenklichen Details wie durch ein Mikroskop mit besonderem Fokus auf Fäkalien und Besäufnis, Liebes- und Brunzverhalten. Sie entwickelt ein psychopathisches kabarettistisches Panoptikum vom Dorfdepp und Dorfsäufer, vom Dorfschönling und seinen Dorfmatrazen, der mannstollen Freundin Gitti und dieser übermächtigen Omama.

Lisa Eckharts sprachliche Erfindungsgabe und Ausdruckskraft überraschen ein ums andere Mal. Mit wortwörtlichen Sprachbildern und -analogien gelingen ihr Pointen und Ideenassoziationen ohne Ende, die sie in lakonischen Hauptsätzen oder in gewaltigen Satzungetümen genau auf den Punkt bringt. Doch das dörfliche Panoramagemälde bruegelscher Derbheit in der epischen Breite von fast 400 Seiten beginnt schnell zu langweilen, zu ähnlich sind die Szenarien, was in den Körper an Essen hineingestopft wird und wieder herauskommt, zu ähnlich und weitschweifig die groben Wirtshausszenen, die exzessiven Kaffeefahrten, die Lisa Eckhart immer grotesker aneinanderreiht, die sie, ganz in österreichischer Erzählmanier, mit einem immer noch außerordentlicheren Negativum bis in ein surreales Panoptikum steigert, an dessen Ende eine Kreuzfahrt als  private Generalabrechnung mit der Omama den Bogen zu einer  gesellschaftskritischen Farce der Gegenwart spannt. Beim Dinner der versammelten Uraltreisenden wird der Kampf der Geschlechter kurz durch einen surreal traumatischen Klassenkampf durchbrochen, ansonsten verschwinden gesellschaftspolitische Aperçus  in den deftigen, sinnlich ausgewalzten Szenarien. Lisa Eckhart ist zweifelsohne eine literarische Ausnahmeerscheinung mit fast autistischer Qualität zur Präzision.

Doch die Botschaft der „Omama“  bleibt absolut vage wie das Rezept ihres streng gehüteten Rehbratens, das sie der Enkelin vermacht hat, mit dem man aber so gut wie nichts anfangen kann, außer sich an den Genuss von einst zu erinnern.

Buchrezension von Lisa Erhardt "Omama" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Paul Zsolnay Verlag

Lisa Eckhart: „Omama“, Carl Hanser Verlag, München, 2020, 383 S.