Haruki Murakami – „Murakami T – Gesammelte T-Shirts“

Buchrezension "Murikami T" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©DuMont Verlag

In den 80er Jahren, als Murakami noch eine Kneipe besaß, begann er T-Shirts zu sammeln. Design und Motive gaben den Ausschlag. Wegen Platzproblemen im Schrank in Schachteln verstaut holte Murakami die T-Shirts wieder heraus, wählte einzelne oder drei bis vier aus und schrieb eine Geschichte mit 20 Minikapiteln dazu.

Die Titel orientieren sich nach den Werbelogos, und den damit verbundenen Erinnerungen, wobei man einiges von Murakamis lässig durch den Tag mäandrierendem jugendlichen Lebensstil erfährt und man trotz der inhaltlichen Banalitäten zumindest manchmal in einen Lesefluss gerät, den Murakami-Leser so lieben, allerdings nur auf der Ebene sachlicher Betrachtung ohne irgendwelche magischen Momente und hintergründigen Bedeutungen. Dafür tritt der junge Murakami als Mensch in den Vordergrund, mehr oder weniger als der junge sympathische Typ von nebenan, wie er sich selbst immer wieder über seine Romanfiguren definiert.

Sommer war automatisch mit Surfen verbunden. „Vor langer, langer Zeit, in den 1980ern, habe ich – es ist mir fast peinlich – ein paar Jahre lang gesurft.“ Er war den halben Tag im Wasser, arbeitete so gut wie nichts und genoss das Leben. In den T-Shirts spiegeln sich Murakamis Angewohnheiten. „Einen unnachahmlichen Reiz“ hat es für ihn an einer Straßenecke in New York einen Hamburger zu verzehren. „Was meinen Sie?“ Immer wieder spricht er die Leser persönlich an. Murakami outet sich als Whisky-Kenner und nützt T-Shirts, wie in Japan üblich als Werbeträger für seine Neuerscheinungen „Keep Calm And Read Murakami“ in weißer Schrift auf grünem Hintergrund oder „Dance, Dance, Dance“ für seinen Roman in den 1990er Jahren, für ihn wertvolle Erinnerungsstücke, die er allerdings nie getragen hat.

Murakami kennt die besten Second-Hand-Läden der Welt in New York, gefolgt von Stockholm, Boston und Melbourne. T-Shirts mit Tieren sind für ihn, obwohl er viele hat, erzählerisch wenig ergiebig. Nur die Echsen animieren ihn sie mit Darwins Evolutionstheorie zu verbinden. Bei den „Superhelden“ beschränkt er sich dagegen auf eine bloße Aufzählung.

Am interessantesten sind seine Assoziationen über „Sandwichmänner von einst“. Letztendlich sind T-Shirt-Träger nichts anderes als kostenlose Werbeträger. Dass Murakami zum T-Shirt von Google Analytics bekennt, „ auch wenn ich keine Ahnung habe, wovon die Rede ist, trage ich das T-Shirt. Es kann ja nichts dafür“ wirkt befremdlich, ist aber nur ein rhetorischer Trick, indem er ergänzt. „So gesehen, gehe ich nicht als ich selbst, sondern Tag für Tag als ‚Sandwichman’ durch die Stadt. Und Sie?“ Umgekehrt zeigt Murakami an Universitäts-T-Shirts wie „Harvard for Japan“ während des Atomunglücks als Werbung für gesellschaftsfreundliche Kräfte, die international als sinnvolle Leitbilder fungieren.

Auch wenn sich Murakami beim Laufen und Schwimmen high fühlt „In den Himmel fliegen“ kann er nicht. Aber er mag Vögel als T-Shirt-Motive und eines mit einem „Aufziehvogel“ schenkte ihm ein amerikanischer Leser, der sich von Murakamis Mammutwerk „Die Chroniken des Aufziehvogels“ inspiriert fühlte. Was dann über „Superhelden“, „Bären“ und „Bier“ folgt, ist nur noch Aufzählung und beginnt zu langweilen.

Das anschließend 40-seitige Interview von Kunichi Nomura in Tokio, im März 2020 bleibt auf der ganz persönlichen Ebene und bringt nur wenig neue Details. T-Shirt-Sammeln ist für ihn wie ein Spiel. Deshalb dürfen die T-Shirts einen Maximalpreis nicht übersteigen. Er würde nie viel Geld dafür ausgeben und trägt selbst nur unauffällige T-Shirts, in denen er keine Aufmerksamkeit erregt.

Buchrezension "Murikami T" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Dumont Verlag, Noriko Hayashi

Haruki Murakami wurde 1949 in Kyoto geboren, lebte längere Zeit in den USA und in Europa und ist der gefeierte und mit höchsten Literaturpreisen ausgezeichnete Autor zahlreicher Romane und Erzählungen, siehe Besprechungen von „Die Chroniken des Aufziehvogels“ (2020) und „Erste Person Singular“ (2021) in meinem Kulturblog.

Ursula Gräfe (*1956) studierte in Frankfurt am Main Japanologie und Anglistik und wurde als Übersetzerin berühmter japanischer Autoren zur Expertin für japanische Literatur.

Buchrezension "Murikami T" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©DuMont Verlag

Haruki Murakami -„Murakami T – Gesammelte T-Shirts“, DuMont Verlag, Köln 2021, 193 S.