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Als ausgesprochen guter Kenner der russischen Geschichte decouvriert Hannes Hofbauer die Dämonisierung Russlands. Die Russen waren gefragt als Helfer gegen Napoleon und die Moslems des Osmanischen Reichs, aber wegen ihrer grausamen Kriegsführung galten sie als barbarisch, trunksüchtig, asiatisch, nicht europäisch. Mordende Kosakentrupps prägten sich langfristiger ein als die Hilfe der Russen gegen Napoleon. Die antirussische Stimmung verfestigte sich im Kontrast zu den guten, fleißigen, sauberen, ehrlichen Deutschen. Die Degradierung des russischen Volkes sieht Hannes Hofbauer als „ein Produkt des innerdeutschen Machtkampfes“ im preußischen Staat und später in der Politik der USA, die Russland in einen Aufrüstungswettbewerb und mit Hilfe von Saudi-Arabiens Erdölpolitik in den ökonomischen Ruin trieben. Sachlich, präzise, verständlich und sehr klar formuliert, liest sich „Feinbild Russland“ wie ein Politkrimi nur mit umgekehrten Vorzeichen. Die USA sind die Bösen.
Schon 1904 bezeichnete Halford Mackinder die Ukraine wegen der zentralen Lage, der guten Schwarzerdeböden und der Eisen- und Kohlevorkommen im Donbas-Gebiet als „Heartland“. „Wer Herzland regiert, regiert Osteuropa und die Welt“.
Im Zweiten Weltkrieg zögerten die USA ihren Einsatz hinaus, um die eigenen Ressourcen zu schonen. Danach diente der Marshallplan nur der Exportförderung der USA. Auf deutschem Boden wurde systematisch aufgerüstet. Der Ostblock durch eine rigorose Containment-Politik extrem eingeschränkt. Frank Wisner (CIA) brachte die Metapher „Eiserner Vorhang“ im Umlauf, eine Formulierung, die schon Goebbels benutzte. Das NATO-Beitritts-Gesuch Stalins wurde abgelehnt.
Wer „Feindbild Russland“ liest, beginnt die Widersprüche des derzeitigen russischen Angriffskrieges und die selbstsichere Haltung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu verstehen. Schon seit dem Kalten Krieg unterstützen und instrumentalisieren die USA Nationalisten in den „Rimlands“ (Randstaaten), den südlichen ehemaligen Sowjetrepubliken, um sie zu destabilisieren und in den westlichen Machtbereich einzubeziehen, wobei auch die EU immer stärker zum Spielball der USA degradierte. Die ökonomischen Nachteile und die Verstärkung der Flüchtlingsproblematik der gegenwärtigen Situation hat die EU zu tragen. Für die USA ist die kriegerische Auseinandersetzung ein gigantisches Geschäft ganz nach dem Modell des Marshallplans nach dem Zweiten Weltkrieg.
Putin lässt sich nicht einschüchtern. Er visioniert Russland wieder als Großmacht, als eurasische Wirtschaftsgemeinschaft und Gegengewicht zu USA und China.
Wie inhuman die USA ihr imperiales Machtgehabe zur Schau stellten, bezeugen die beiden Atombombenabwürfe 1945 über Hiroshima und Nagasaki, später die extreme Aufrüstung unter Ronald Reagan auf deutschem Boden und die NATO-Osterweiterung nach der Wende 1991. Jelzin wurde zur US-amerikanischen Marionette, Putin in Folge für sein Volk zur Heilsfigur, nachdem er trotz Jelzins schweren Erbes der Oligarchenwirtschaft und des Staatsbankrotts durch die Ölkrise Russland wieder auf Erfolgskurs bringen konnte.
Obwohl Hannes Hofbauer geheimdienstliche Unterwanderung und Missachtung von internationalen Vertragsregelungen ausspart, weitet seine absolut prorussische Gegenperspektive die Sicht auf die Komplexität der heutigen Kriegssituation.
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Hannes Hofbauer (*1955) ist ein österreichischer Autor und Verleger, der unregelmäßig in verschiedenen Monatszeitschriften publizierte, um den herrschenden Mainstream zu hinterfragen. Er war Autor des Magazins „Compact“. Seit Mitte der 1990er Jahre leitet er den Promedia Verlag in Wien. 2005 geriet er als Verleger von Israel Schamirs antisemitischem Buches „Blumen aus Galiläa“in die Kritik. Während der Covid-19- Pandemie war er sehr aktiv bei den Anti-Corona-Maßnahmen-Protesten. Mit seinen beiden Publikationen „Die Diktatur des Kapitals“ und „Feindbild Russland“ kritisiert Hannes Hofbauer die politischen Strategien der USA und der EU.
Hannes Hofbauer: „Feindbild Russland. Geschichte einer Dämonisierung“, Promedia Verlag, Wien 2016, 302 S.