©Ullstein extra Verlag, 2024
Länger als ein Haustier begleitet zuweilen ein Musikinstrument seine BesitzerIn über Jahrzehnte hinweg, mitunter eine Hassliebe wie bei einem alten Ehepaar…
Florian Werner selbst spielt Bratsche. „Wie oft habe ich meine Bratsche gequält“, bekennt er. Einmal wollte er sie nach einem missglückten Auftritt verbrennen. Doch als es wirklich brannte, rettete er als einziges seine Bratsche. „Was ist das für eine Beziehung?“ Genau dieser Frage geht er in seinem neuen Buch „Meine bessere Hälfte“ nach. 23 bekannte MusikerInnen, vom Herausgeber nach subjektiv ausgewählt, erzählen von sich und ihrem Instrument und spiegeln Werners persönliche Vorlieben, wobei es ein wichtiger Aspekt war, ein außergewöhnlich breites Spektrum anbieten zu können von Pop bis Rock, von Klassik bis Jazz und ganz speziellen Stilrichtungen wie Drone-Folk oder Ska-Punk. Stargeigerin Anne-Sophie Mutter lässt ihre Stradivari von keinem anderen anfassen. Tubist Andreas Martin Hofmeir benennt seine Tuba mit weiblichen Vornamen. Mit „Ursula“ begann er seine Karriere, ihre Nachfolgerin ist Fanny. Für Jazz-Musikerin Aki Takase ist das Klavier „wie ein unersetzlicher Geliebter“, während Sänger Jochen Distelmeyer seine Gitarre als pazifistische Waffe eintaxiert. Für Frank Spilker ist die Gitarre wie eine Droge, die den Hormonspiegel hochschnellen lässt. Instrument ist auch die Stimme oder für DJs die Plattensammlung, für den Musikproduzenten Console das Tonstudio.
Sehr persönlich und unterschiedlich sind entsprechend die Texte. Anne-Sophie Mutter wählte nicht das Klavier, sondern die Geige, bei der sie das Tonspektrum und die intime Nähe so fasziniert. Es musste aber eine Geige sein, die sofort auf den Ton anspringt, selbst im Pianissimo, und die sehr springlebendig ist. Auf Karajans Empfehlung und dem Urteil einiger Berliner Symphoniker wurde es eine Stradivari von 1703 als Leihgabe, wenige Jahre später getoppt von der Lord Dunn-Raven von 1710, nach über 40 Jahren immer noch ihre heiß geliebte „Emiliani“. Um sie zu schonen, spielt Mutter open air oder bei weiten Reisen auch auf moderneren Geigen, muss aber davor immer erkunden, was die Geige braucht, um schön in ihrem Sinne zu klingen.
Gemeinsam haben alle MusikerInnen den Respekt vor ihrem Instrument, das sie hegen und pflegen. Erst wenn es richtig schwingt und tönt, sind sie eins mit ihm und voll innerer Ekstase.
Jede Geschichte eröffnet einen neuen Aspekt, unterhaltsam und wissenswert. Im Schlusswort fragt Herausgeber Werner was schlimmer ist, der letzte Sex oder der letzte a-Moll-Akkord. Nach dieser Lektüre ist die Antwort klar. „Meine bessere Hälfte“ ist ein kurzweiliges, erfrischendes Buch für eine kleine Lese-Entspannung zwischendurch für Menschen, die sich für Musik begeistern.
Florian Werner (*1971) lebt und arbeitet in Berlin. Er schreibt erzählende Sachbücher und Prosa, lehrt an verschiedenen Hochschulen und arbeitet für den Hörfunk. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.
Florian Werner (Hg.) „Meine bessere Hälfte“, Ullstein extra, Berlin, 2024, 245 S.