©S. Fischer Verlage
Die aufwühlende Biografie Zwischen Kriegshölle und Filmhimmel beginnt 1939 in Lódź. Aus einer Mischung von Tagebucheinträgen, historischen Quellen und familiären Erinnerungen rückt das Leben der beiden jüdischen Familien von Hölle zu Hölle berührend nahe. Moshe Brauner flieht mit seiner Familie vor den Nazis bis nach Usbekistan. Der Sohn Artur schlägt sich auf einer anderen Route durch und trifft in Stettin ein Mädchen, das seine große Liebe werden sollte. In Berlin wollen sie sich wieder treffen, was den Titel erklärt. Immer wieder werden die Familien auseinandergerissen, doch der Zufall führt sie wieder zusammen und stärkt ihren Glauben an „G´tt“, der sie nur prüfen will. 1947 heiraten Artur und Maria in einem amerikanischen Lager für Displaced Persons.
Artur Brauner immer schon begeistert vom Film geht zwar nicht Hollywood, baut aber im Spandorfer Haselhorst die CCC Filmstudios auf, um durch Filme das erlittene Unrecht der Juden in Erinnerung zu behalten. Sein autobiografischer Film „Morituri“ (1948), mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht gedreht, floppte. Die Zeit war noch nicht reif für Vergangenheitsbewältigung. Die Menschen wollten Unterhaltung.
Durch seine „extreme Sparsamkeit, seine Cleverness, seine Wendigkeit, seine Zielstrebigkeit und Härte“ arbeitete sich Atze, so nannten ihn seine Freunde trotz aller Widerstände und Niederlagen zu einem der bedeutendsten Filmproduzenten Deutschlands hoch, finanzierte über 500 Filme und erlebte dabei die Auf und Abs der Filmindustrie. Ein Viertel der westdeutschen Filme wurden in Brauners Filmstudios produziert. Er konnte bedeutsame Regisseure wie Fritz Lang, Robert Siodmak, Agnieszka Holland gewinnen, kreierte Traumpaare wie Rudolph Prack und Sonja Ziemann, entdeckte Peter Alexander und Caterina Valente. Gert Fröbe, O.W. Fischer, Maria Schell und Romy Schneider glänzten in seinen Produktionen. Doch die Zeit der aufwändigen Revuefilme und Historienfilme neigte sich dem Ende zu.
Junge Nachwuchsregisseure erklärten 1962 über das Oberhausener Manifest „Papas Kino ist tot. Wir glauben an den neuen deutschen Film“. Artur Brauner nahm das Manifest ernst, gründete die CCC-Kunstfilm und entwickelte eine neue Strategie. Mit dem Geld aus den Unterhaltungsfilmen finanzierte er Filme wie „Die weiße Rose“, „Zeugin der Hölle“ oder „Eine Liebe in Deutschland“, die sich mit dem NS-Regime und der Judenverfolgung auseinandersetzten, aber nie als Kollektivschuld, sondern anhand von Einzelschicksalen. „Egal welche Nationalität, wichtig ist wie der Mensch handelt“, war Artur Brauners zutiefst humanistische Devise.
Aber die Situation wurde vor allem durch die Konkurrenz des Fernsehens, obwohl er selbst viele TV-Sendungen produzierte, immer angespannter. Die letzte Produktion vor der Schließung der Filmstudios, ausgerechnet die TV-Silvestergala 1970/71 wurde „ne´ dufte Beerdigung“, wie ein Mitarbeiter sarkastisch kommentierte. Artur Brauner verkaufte die Studios aber nicht, produzierte Karl-May-Filme wesentlich preiswerter in Jugoslawien und konnte die Studios später durch Netflix-Produktionen wieder beleben.
Immer wieder schaffte Artur Brauner den „Spagat zwischen Unterhaltung, Spannung und Nachdenklichkeit“, resümiert Alice Brauner. Mit ungewöhnlichem Tempo und seiner charismatischen Persönlichkeit setzte er seine Visionen durch. Doch das war letztendlich nur möglich durch seine Frau, „Ohne sie wäre er verloren gewesen, mindestens 27 mal geschieden und ich hätte ein Dutzend Halbgeschwister“, schreibt Tochter Alice Brauner über ihre Mutter. Sie rückt sie immer wieder als elegante, überaus disziplinerte, großherzige und von allen geliebte Integrationsfigur in den Mittelpunkt dieser so kontrastreichen Familienbiografie, die sie mit ständigen Rückblenden und Parallelhandlungen spannend wie in einem Drehbuch erzählt.
Ein einziger Wermutstropfen bleibt. Vielfach ausgezeichnet, blieb ihrem Vater ein Oscar verwehrt. Obwohl sein Film „Hitlerjunge Salomon“ international unter „Europa, Europa“ bereits als Oscarfavorit galt, wurde er von der deutschen Oscarkommission mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt. Wieder fühlte sich Artur Brauner wie schon so oft in seinem Leben mit antijüdischem Rassismus konfrontiert. Dafür entschädigte ihn der Carl-Laemmle-Preis 2018 zu seinem 100. Geburtstag, womit jährlich eine führende Produzentenpersönlichkeit für ihr Lebenswerk gewürdigt wird. Jetzt führt seine Tochter die CCC Filmstudios.
Natürlich ist die Biografie aus der Sicht der Tochter doch etwas geschönt. Sie erwähnt zwar immer wieder die extreme Sparsamkeit des Vaters, aber eher bezogen auf den persönlichen Lebensstil hinsichtlich Essen und Kleidung. Berüchtigte Vertragsverhandlungen, die teilweise juristisches Nachspiel hatten, weil gleich zwei Filme gedreht wurden, aber nur ein Honorar, bleiben nebulös, ganz unerwähnt die horrenden fiskalischen Schuldenzahlungen im Zusammenhang mit Artur Brauners Immobilienfirma. Alice übernahm wohl die Einstellung der Mutter. „Aber weil er ein Genie ist, muss man ihm alles verzeihen.“
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Alice Brauner, (*1966), ist Journalistin, Historikerin und Filmproduzentin. Sie promovierte am Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, war Mitarbeiterin in Steven Spielbergs Stiftung „Survivors of The Shoah Visual History Foundation“. 2006 stieg sie in die CCC Filmkunst ihres Vaters ein, die sie seit 2019 leitet. Für ihre große Familienbiografie waren neben ihren persönlichen Erinnerungen vor allem die ausführlichen Tagebucheintragungen ihres Großvaters, private Dokumente und historische Quellen über den Holocaust für die Authentizität des Romans wichtig. Unterstützt wurde Alice Brauner von Heike Gronemeier, (*1969), die zehn Jahre lang als Lektorin in verschiedenen Verlagshäusern in München und Berlin arbeitete. 2008 machte sie sich mit der Verlagsagentur „text &bild“ selbstständig und arbeitet u. a. als Ghostwriterin.
Alice Brauner „Also dann in Berlin! Artur und Maria Brauner Eine Geschichte vom Überleben, von großem Kino un der Macht der Liebe“, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2021, 319 S.