©Michaela Schabel
Und wieder sorgt das Museum Barberini in Potsdam für Schlagzeilen. Es präsentiert die erste Ausstellung in Europa, die…
die geometrisch-abstrakte Geschichte nicht in Episoden nationaler Bewegungen darstellt, sondern die Verbindungslinien. Leitmotiv sind zwölf Bilder von Kandinsky, der wie kein anderer diese Bewegung durch seine philosophischen Schriften beeinflusste. Klar strukturiert entfaltet die Ausstellung „Kosmos Kandinsky“ die „Geometrische Abstraktion im 20. Jahrhundert“ in neun Kapiteln bzw. Räumlichkeiten, wobei auch Kandinskys eigene Entwicklung deutlich wird. Anhand von 125 Gemälden, Skulpturen, Installationen von 70 KünstlerInnen und entsprechenden Informationstexten wird man auf die gegenseitigen Beeinflussungen, Gemeinsamkeiten und die individuellen Unterschiede aufmerksam gemacht, wobei sich in ein bis zwei Stunden ein sehr strukturierter Überblick über die „geometrische Abstraktion im 20. Jahrhundert“ von Russland über Deutschland, Niederlande, Frankreich, Großbritannien bis in die USA ergibt.
„Geist und Technik“ fusionierten bereits in Moskau, als Kandinsky zu Beginn des ersten Weltkriegs aus München in seine Heimat zurückkehrte. Über geometrische Flächen und Linien versuchten dort die Künstler eine universelle Bildsprache zu entwickeln, die ab 1917 auch vom neuen Staat unterstützt wurde, um revolutionäre Ideale zu fördern. Kandinsky wurde Gründungsdirektor eines staatlichen Forschungszentrums, wo er die psychologische Wirkung von Kunst untersuchte. Er betonte sehr stark das Geistige, wurde dadurch zum Außenseiter und ging 1922 wieder nach Deutschland.
Als Lehrer im 1919 gegründeten Bauhaus in Weimar entwickelte Kandinsky seine Theorie zusammen mit anderen Avantgardekünstlern. In seinem Buch „Punkt und Linie zu Fläche“ untersuchte er die Elemente der Kunst, Farbe, Form und deren emotionale Wirkung, womit Kandinsky nicht nur Malerei, sondern auch das Produktdesign beeinflusste. Eine Komposition kann nach Kandinsky nur durch das Zusammenspiel von „Form, Linie und Farbe“ zur „Symphonie“ werden.
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Wassily Kandinsky „Oben und links“, 1925©Privatsammlung, Foto: Michaela Schabel
In den Niederlanden gründeten Piet Mondrian, Theo van Doesburg und andere Künstler die Gruppe „De Stijl“ und ergänzten Linie und rechte Winkel mit den Primärfarben kombiniert mit Schwarz und Weiß als Ausdruck von Harmonie und Balance. Nach der Auflösung der Gruppe 1931 entwickelten jüngere Künstler diese Ideen weiter.
In Paris entstand die Gruppe Abstraction-Création, der sich viele internationale KünstlerInnen auf der Flucht vor dem NS-Regime anschlossen, auch Kandinsky nach der Schließung des Bauhauses. Starre Gitterstrukturen wichen spielerischen, organischen und surrealen Formen, die das Unbewusste ausdrückten, von denen sich Kandinsky inspirieren ließ.
London bot flüchtenden KünstlerInnen wie Mondrian, Moly-Nagy und Gabo Schutz bis zur Weiterreise nach den USA und wurde zu einem Zentrum geometrischer Abstraktion. Hepworth und Nicholson übertrugen die sie in die 3-Dimensionalität und ließen sich bei ihren Skulpturen von den Farben und Formen der Küstenlandschaft des Cornwall inspirieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand die Gruppe der Constructionists, die mit neuen industriellen Materialien Werke optimistischen Wiederaufbaus schufen.
In den USA löste in den 1960er die geometrische Abstraktion durch klare Grundformen, scharfe Konturen in monumentalen Formaten die expressive Phase der 1950er Jahre ab. AI Held und Frank Stella entwickelten den Hard Edge Stil, bei dem sich Farbe und Form ohne utopische Ideen nur auf sich selbst beziehen.
In Folge entstand daraus in Kombination mit neuen Materialien und durch reduzierte Farbigkeit der transatlantische Minimalismus, den Donald Tudd bereits 1964 in seinem Text „Spezifische Objekte“ artikulierte. Statt Emotionen und Symbolik stand das subtile Zusammenspiel von Licht und Schatten der Texturen, von Objekt und Raum im Mittelpunkt. Man distanzierte sich von der Einzigartigkeit des Kunstwerks. Handwerkliche Spuren verschwanden. Manche Bilder wurden industriell gefertigt.
Kunst mit optischen Effekten entstand unabhängig voneinander an verschiedenen Orten, wurde aber erst durch die Ausstellung „Responsive Eye“ in New York erkannt. Optical Art, kurz Op-Art, macht das Sehen über scheinbar sich bewegende Bildflächen zum Wahrnehmungserlebnis, womit Malewitsch und Kandinsky schon in den 1910er und 1920er Jahren experimentierten.
Damit schließt sich der „Kosmos Kandinsky“, womit das Museum Barberini bzw. die Kuratorin Sterre Barentsen sehr gekonnt die Kulturgeschichte der geometrischen Abstraktion im 20. Jahrhundert aufrollt und erklärt.
Die Ausstellung ist bis 18. Mai im Potsdamer Barberini zu sehen.