"Kultur macht glücklich"


München – „München 72. Olympische Spurensuche“ durch Erinnerungsstelen quer durch München und die Ausstellung „München 72. Mode, Menschen und Musik“ im Stadtmuseum

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München – „München 72. Olympische Spurensuche“ durch Erinnerungsstelen quer durch München und die Ausstellung „München 72. Mode, Menschen und Musik“ im Stadtmuseum

©Stadtmuseum München, Foto Michaela Schabel

Sehr kompakt zeigt die Ausstellung, wie konsequent architektonisch, optisch, musikalisch und kulturell Konzepte realisiert wurden, die sich bestens zusammenfügten, um München ein neues Erscheinungsbild nach einer subtilen, von Otl Aicher festgelegten Farbskala zu geben. Diesen Farbnuancen folgt auch die Ausstellung. Rot und Gold als Farben von Diktaturen wurden zwar nicht ganz konsequent ausgespart, wie die Hostessen-Uniformen im Gegensatz zu den Infotexten zeigen, aber dafür  militärisch heroische Musik und Nationalhymnen. Stattdessen zogen die SportlerInnen nach der folkloristischen Musik „Exotica“ eines Super-Medley ins olympische Stadion ein. Der Pariser Modeschöpfer André Courrèges entwarf eine sportliche, genderneutrale Kollektion im Safarilook für alle Veranstaltungsteilnehmer, deren Farben verschiedene Aufgabenbereiche spiegelten und das Personal in der Menge gut sichtbar machten. Die 1500 jungen Hostessen trugen durch hellblaue Dirndl und wolkenweiße Schürzen zum sympathischen Erscheinungsbild der Olympischen Spiele 1972 bei. München avancierte zur  „Weltstadt mit Herz“.

"München 72.Olympische Spurensuche" und "München 72. Mode, Menschen und Musik" präsentiert von www.schabel-kutlur-blog.de

©Stadtmuseum München, Foto Michaela Schabel

Persönliche Geschichten via Videoerzählungen und Bild- und Texttafeln machen die Ausstellung recht lebendig und erinnern an ehemalige  Schlagzeilen. Der Schwedische Thronfolger Carl Gustav fand unter den Hostessen seine große Liebe fürs Leben. Franz Samuel hielt bei der Fackelübergabe ein Stück Holz in die Flamme und hütete sie bei sich zu Hause bis zu seinem Tod 2021. Das Modemagazin „Madame“ wurde gegründet und beflügelte Münchens Image als Modestadt, zumal viele FotografInnen das Olympiagelände als futuristischen Hintergrund für Modefotografien entdeckten. Über die Kultur vom Fingerhakeln bis zur Kunstführung in der Glyptothek positionierte sich München als Kulturstadt mit bodenständiger Tradition, europäischer Geschichte und frech innovativen Impulsen, nicht zuletzt durch Michael Meschkes alternatives Marionettentheater auf der Spielstraße im Olympiagelände, wo sich auch sportkritische Performer wie Timm Ulrichs in seinem Hamsterrad positionierten.

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Tim Ulrich©Stadtmuseum München

Die Olympischen Spiele 1972 initiierten eine Reihe von technischen Neuerungen. Unternehmen nutzen die Spiele als internationale Werbeplattform. Neu waren große Flutlichtanlagen, Satellitenübertragung, präzise Zielbilder und Messtechnik von Junghans, wodurch sportliche Siege eindeutig bewertet werden konnten. BMW entwickelte bereits das erste elektrische Auto mit einer Reichweite von 60 Kilometern. 

Doch nicht alle profitierten vom sportlichen Großereignis. Die kleinen traditionellen Hotels hatten gegen die neuen keine Chance mehr. Die Lebenshaltungskosten stiegen. Die Fußgängerzone kam nicht so gut an, weil man alle Einkäufe so weit zum Wagen schleppen musste. Die autogerechte Stadt blieb nach wie vor das bevorzugte Leitbild. 

Das Attentat auf  palästinensische Terroristen wurde zum Zündstoff für die Gegner der Olympischen Spiele 1972, zumal die Spiele nach einer kurzen Unterbrechung weitergeführt wurden. Die heitere Farbenfröhlichkeit durchbricht Schwarz und Grau als Symbol des Terroranschlags, in der Ausstellung dokumentarisch skizziert und im Rahmen der Vietnamdemonstrationen dargestellt. Für München blieb der Umgang mit diesem Attentat Jahrzehnte lang ein schwieriges Thema. Erst 2017 entstand eine adäquate Gedenkstätte auf dem Olympiagelände.

Mit „München 72. Olympische Spurensuche“ schickt das Stadtmuseum die Besucher auf eine vielschichtige Erinnerungstour durch die Stadt, bei der Fröhlichkeit und Tragik, Zukunftsideen und politischer Gestaltungswille und Pragmatismus aufleuchten. An bekannten, aber auch längst in Vergessenheit geratenen und teils unerwarteten Orten wird deutlich, wie sich München nicht nur baulich und infrastrukturell veränderte, sondern auch in ideeller und gesellschaftlicher Hinsicht Zeichen gesetzt wurden. Die Stelen sind so markant platziert, dass sie von PassantInnen schnell wahrgenommen werden können. Sie dienen als Trägermaterial für die Informationen und als Sitzmöglichkeit.

Der Olympiapark wirkt auch heute noch durch Nutzung der Mulden und Höhen wie die „Fortsetzung der Landschaft mit anderen Mitteln“. Die transparente, frei schwebend wirkende Dachkonstruktion ist immer noch ein innovatives Wahrzeichen Münchens.  

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©Stadtmuseum München

Eine weitere Stele der Olympischen Spurensuche befindet sich am Nördlichen Schloßrondell. Mit dem Nymphenburger Schlosspark wurde 1972 eines der größten und bedeutendsten Gartenkunstwerke Deutschlands als Austragungsort für das Dressurreiten ausgewählt. Das reiche kulturelle Erbe Münchens sollte damit zum Erlebnis für das Publikum und die SportlerInnen werden. Historische Aufnahmen auf der Stele illustrieren die aufwendigen, temporären Aufbauten. In unmittelbarer Nähe zum Originalschauplatz können BesucherInnen so Geschichte und Gegenwart direkt miteinander verknüpfen. An anderen Standorten werden Themen wie Nachhaltigkeit, Migration, Modernisierung, Ausbau der Infrastruktur, das grafische Erscheinungsbild als Vorbild für modernes Corporate Design und das Attentat behandelt.

An der Kasse des Münchner Stadtmuseums ist ein Begleitbuch mit den einzelnen Stationen und einer Karte zu den genauen Standorten kostenfrei erhältlich. Kurze Texte in Deutsch und Englisch bieten Basisinformationen, ein QR-Code gibt Zugang weiterführenden Informationen, Abbildungen und Filmen.

Die Ausstellung „München 72. Mode, Menschen und Musik“ ist bis 8. Januar 2023 zu sehen und Erinnerungstour „München 72. Olympische Spurensuche“  bis 31. Dezember 2022.