©Cao Fei
Wo bleiben die Gefühle in einer Welt, in der die Digitalisierung das Leben in allen Bereichen zunehmend transformiert? In Cao Feis animierten Filmen, Fotos und begehbaren Multi-Media-Installationen werden die Anpassungsmechanismen überdeutlich. Sie selbst, 1978 im chinesischen Guangzhou am Pearl River geboren, wuchs im Zentrum eines rasanten Wirtschafts- und Städtewachstums auf und erlebte den zunehmenden Einfluss der Digitalisierung hautnah. Popkultur, Computerspiele, Unterhaltungselektronik und neueste Technologien waren ihre Spielgefährten und Miterzieher. In ihrer Ausstellung lädt sie die Besucher über Filme und Installationen ein in dieses technologisch animierte „Metaversum“ mitzukommen, in dem reale und virtuelle Räume immer mehr verschmelzen und sie selbst über Avatare ein Second Life präsentiert, doch immer mit kritischer Distanz.
Als Sinnbild für die Künstliche Intelligenz wählt Cao Fei den Octopus aus ihrem Film „Asia One“ (2018). Der Krake gilt als intelligent, ist hat ein Kurz- und Langzeitgedächtnis, doch es fehlt ihr die Fähigkeit zu einem sozialen Zusammenleben. Wie der Krake ein Mädchen regelrecht durchsticht und zunehmend umschlingt, wird zum beeindruckenden Symbol, wie uns die KI Stück für Stück durchdringt. Immer wieder schließt die Frau die Augen. Genuss oder Leid? Die Beurteilung überlässt Cao Fei dem Besucher.
Ein anderes augenfälliges Symbol sind die Matrjoschkas, in Russland verkörpern diese kleinen Schachtelpuppen Mutterschaft, Fruchtbarkeit und Familie. Cao Feis große Plastikversionen erinnern an Sehnsüchte, die schon der Vergangenheit angehören. In ihrem Film „Matrjoschka-versum“, eine Symbiose von Dokumentaraufnahmen und fiktiven Szenen zeigt am Beispiel der chinesischen Grenzstadt Manzhuoli das Scheitern einer Utopie. Leere Hotels verborgen in Matrjoschka-Puppen, ausgestorbene Vergnügungsparks, Bauruinen, wer kann, geht weg. Was hier misslang, gelingt anderswo. Die sich immer schneller beschleunigenden Digitalisierungsprozesse vor allem über die Medien sind nicht aufzuhalten.
Der Mensch degradiert zum Stereotyp nach den medialen Vorbildern und umgekehrt wirken die Protagonisten der Filme wie parodistische Live-Style-Abziehbilder heutiger InfluencerInnen oder als Fabelwesen aus unterschiedlichsten Kulturen und Zeitebenen. Artusritter mutieren zu Jedi-Rittern. Menschliche Begegnungen orientieren sich an gängigen Romantikklischees und verkommen im perfekten Ambiente zu seelenlosen Animationen. Überspitzter Konkurrenzkampf, gnadenlose Verfolgungskämpfe und gefühlloses Töten bestimmen die Szenerie.
©Cao Fei
Die Augen der Comicfiguren wirken traurig. Selbst die Kühe vereinsamen und ein verirrtes Zebra hat keinerlei Kontaktmöglichkeiten. Wie atmosphärisch und emotional wäre dagegen ein Camping-Ausflug?
Die Ausstellung „Cao Fei. Meta-mentary“ ist im Münchner Lenbachhaus noch bis 8. September zu sehen.