Interview – „Was ist gut, was böse?“ – Arbeiten in Holz – Hannes Mussner in der Galerie Schmalfuss Berlin

Hannes Mussner in der Galerie Schmalfuss präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Abraxas“, 2022, Hannes Mussner@Galerie Schmalfuss

Was fasziniert Sie so am Werkstoff Holz Herr Mussner? 

H.M. Ich finde, dass Holz in seinen Eigenschaften und in seiner Komplexität als einmal lebendige Materie, sein Wachstum die Zeit, Fasern, Knoten und Wunden, die es in sich trägt, dem Menschen und Tieren als Material am ähnlichsten ist. In Holz zu arbeiten erfordert auch einen viel langsameren künstlerischen Prozess als das Modellieren in anderen Materialen wie Wachs oder Ton. Meistens modelliere ich zuerst kleine Modelle. Dann beginne ich sofort mit der Gestaltung in Holz. Holz ist sperrig, aber auch sehr lebendig. Je nach Holzart kann ich ganz unterschiedlichen Elementen des Mediums Skulptur Ausdrck verleihen. Pappelholz zum Bespiel ist rau. Ich verwende es für den Körper, für die Bekleidung, um markante Strukturen herauszuarbeiten. Für glatte Haut eignet sich Lindenholz, ein sehr weiches Hartholz. 

Sie arbeiten gegenständlich. Manchen Menschen erscheinen Ihre Figuren wie aus der Zeit gefallen. Ich empfinde sie vielmehr als zeitlose Metaphern für das, was den Menschen ausmacht.

Ja, genau das ist mein Anliegen. Ich will keine Botschaften vermitteln. Ich stelle Fragen. Letztendlich geht es immer darum, was uns als Menschen ausmacht. In manchen Arbeiten, die ich hier zeige, geht es mir um die Frage, ob es so etwas wie gut und böse überhaupt gibt. Was ist über Sozialisation vermittelt, was angeboren? Nehmen wir meine Figur „Georg“. Ein Junge hat ein Schwert in der Hand. Er blickt ernst, weiß nicht so recht, was er damit anfangen soll. Er wirkt introvertiert, scheint nachzudenken. Vielleicht kennt er schon die Geschichte vom Erzengel Georg. Wie wird dieser Junge in seinem Leben dieses Schwert benutzen? Als Waffe, um zu töten oder um zu schützen?

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„Georg“, 2020, Hannes Mussner ©Michaela Schabel

Oder meine Skulptur „Flucht einer Idealistin“. Die Frau steht aufrecht, mit beiden Beinen im Leben mit einer wattierten Jacke und Hosen wie Metall gegen Kälte und Widerstand gewappnet. Ihre Haut ist glatt, der Blick in die Ferne gerichtet. Sie wirkt selbstbewusst und sicher. Welches Ziel visiert sie an?

Ihre „Venus“ irritiert. Statt eines Kopfes wählten Sie einen grob strukturierten, rot bemalten Holzblock. Venus als Symbol zwischen Erotik und roher Gewalt?

Hier wurde ich durch die vorzeitlichen Venusstatuetten inspiriert. Diese präpäolithischen Figurinen bis 35000 Jahre alt fand man in ganz unterschiedlichen Versionen in verschiedenen Regionen Eurasiens. Ihr gemeinsames Merkmal ist, dass sie bis auf eine Venusstatuette aus Malta keinen Kopf haben. Früher wurden sie von Archäologen als Fruchtbarkeitssymbole oder Muttergöttinnen eingestuft. Heute ist man sich diesbezüglich nicht mehr so sicher. 

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„Venus“, Hannes Mussner, 2019@Michaela Schabel

Neben Figuren sind auch Tiere ein großes Thema für Sie. Der „Schauzer im Schnee“ und der wesentlich kleinere schwarze „Abraxas“ sehen sich strukturell sehr ähnlich. 

Ich mag Hunde sehr gern. Der Schnauzer wirkt bedrohlich, ist aber im Grunde ein sehr braver Hund. Die schneeweißen Pfoten verweisen auf seinen verspielten Charakter. Sein kleineres Spiegelbild in Schwarz erfüllt dagegen die Klischees eines Höllenhundes, obwohl Abraxas als mythologischer Ursprung eines göttlichen Urwesens gilt. Durch den Vergleich der beiden Figuren provoziere ich Vorurteile zu reflektieren und sie vielleicht sogar zurechtzurücken. 

Hannes Mussners Arbeiten, darunter auch klassische Bronzefiguren mit expressiven Körpern und Gesichtern, sind in der Galerie Schmalfuss, Knesebeckstraße 96 noch bis 1. Oktober zu sehen.