Berlin – „The Cool And The Cold – Malerei aus den USA und der UdSSR 1960 – 1990“ im Gropius Bau

Ausstellung "The Cool And The Cold" - amerikanische und russische Malerei von 1960-1990 präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Elvis Presley“, 1964 Andy Warhol, „Lenin“, Dimitrij Nalbandjan 1980-82©Michaela Schabel 

Mit dem Eisernen Vorhang verschwand auch die russische Kunst in der internationalen Wahrnehmung. Selbst nach der Wende gab es keine nennenswerten Ausstellungen, die russische und westliche Kunst vergleichen ließen. Insofern ist die Ausstellung „The Cool and the Cold“ ein absolutes Novum. Die kostenlose Ausstellungsbroschüre ist mangels Informationstexten in den Räumlichkeiten eine hilfreiche Orientierung, um durch mehr Hintergrundwissen die Werke der russischen Maler, die sich zwar motivlich und maltechnisch gut erschließen, besser einordnen zu können. Die Gemälde der russischen Künstler sind die eigentlichen Highlights, weil man sie im Gegensatz zu den amerikanischen sehr berühmten Malern wie beispielsweise Roy Lichtenstein, Andy Warhol  oder Jackson Pollok mehr oder weniger nicht kennt. 

Der Einfluss der russischen Avantgarde auf die westliche Kunstszene, insbesondere durch Kasimir Malewitsch, dem Begründer des Suprematismus, fand 1934 mit Stalins Doktrin des sozialistischen Realismus ein abruptes Ende. Die Kunst hatte dem Staat und dem Volk als Propaganda für die gesellschaftspolitischen Ziele zu dienen. 

Das blieb auch so nach dem Zweiten Weltkrieg, während sich in den USA, nicht zuletzt durch die vielen immigrierten Künstler eine neue Freiheit breit machte und sich eine US-amerikanische Strömung des Abstrakten Expressionismus entfaltete, die allerdings genauso systemabhängig war, wenn auch unter dem Deckmantel einer zunehmenden kapitalistischen Konsumkultur, die insbesondere von Westdeutschland als sehr „Cool“ rezipiert wurde.

Erst in der Tauwetterphase nach Stalins Tod 1953 kam es nach dem Amtsantritt Chruschtschows in Russland zu einer leichten Liberalisierung in der Kunst. Einige westliche Ausstellungen ermöglichten den russischen Malern Einblick in die gegenstandslose Kunst. Vladimir Jankilevskij und Vladimir Jakowlev, die metaphorisch aufgeladene Spielarten entwickelten, wurden als „Formalisten“ gebrandmarkt. Immer noch galt die figurative Propaganda im Stil von Ilja Kabakov. 

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„Geprüft (Auf der Parteisäuberung)“ Ilja Kabakov, 1983©VG-Bild-Kunst, Bonn 2020

Doch die ironischen Anspielungen wurden deutlicher. Aleksandr Išin parodiert in einem Triptychon mit stereotyp lächelnden Landmädchen und Soldaten den „Sonntag“ als Ausdruck gesellschaftlicher Freude nach einer Woche harter Arbeit und unterminiert damit die sowjetische Propaganda von Militär und Landleben. 

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„Sonntag“ (Ausschnitt aus dem Triptychon), Aleksandr Išin, 1968@Aleksandr Išin

Dass Dimitrij Nalbandjan „Lenin“ Anfang der 1980er Jahre mit einem sympathischen Lächeln versieht, bleibt zweideutig, mehr als Hommage als Ironie. Ülo Sooster bringt  als einer der wenigen seine Kritik in zwei Bildern ganz klar zum Ausdruck, stil-und motivähnlich als „Erzwungene Blindheit“ und „Erzwungenes Schweigen.“

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„Erzwungene Blindheit“, Ülo Sooster, 1965©SoosterFamily-Foundation

Dunkel erdig zeugt russische Malerei von der Schwere des Lebens. Porträts wirken düster, die singende Familie um den Tisch scheint verzweifelt. Als müden alten, ziemlich heruntergekommenen Mann präsentiert sich Vladimir Jankilevskij mit dem Rücken zum Betrachter in der U-Bahn, flankiert von zwei schabloniert abstrahierten Spiegelungen gelingen Metaphern allein durch die Farbgebungen bipolare Perspektiven mit Zielscheiben-Optik. Doch echte Hoffnung sieht anders aus. Über den russischen Bildern schwebt trotz aller ironischer Anspielungen immer das Damoklesschwert der Armut und allgegenwärtiger Macht.

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„Triptychon 14“, Vladimir Jankilevskij, 1987©Vladimir Jankilevskij

Strahlend wirken in der russischen Malerei im Grunde nur Kosmonauten, die als Nationalhelden aller „Bruderländer“ über die Zeit des Kalten Krieges verehrt wurden. 

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„Kosmonauten“, Jurij Korolov, 1982@Jurij Korolov 

Im „Wettlauf zum Mond“ wurden in den USA Künstler zu Raketenstarts eingeladen, die beispielsweise Lowell Nesbitt in gigantischen Bildformaten einfing. 

Ansonsten leuchtet die Konsumwelt in der westlichen Welt trotz der ironischen Konnotationen der Künstler oberflächlich bunt. Andy Warhol nimmt in seiner seriellen „Kuhtapete“ in grellem Lila die Umweltproblematik vorweg. Chromblitzende Limousinen und Architekturen kommen in den hyperfotorealistischen Bildern von Richard Estes mehr als Imagesymbole denn als kritische Statements zur Wirkung. 

Die krassen Unterschiede zwischen West und Ost verwischen dagegen in der Abstraktion und im Surrealismus. Hier stehen formale Malkriterien bzw. traumatische Symbole im Vordergrund, die sich vor den jeweiligen ideologischen Systemen, zuweilen titelgestützt trotz der verwendeten Verfremdungen schnell erschließen.

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„Nägel und Hammer“, Viktor Pivovarov, 1970©iktor Pivovarov

Dass die Ausstellung mit Dimitrij Prigovs „Mehr Glasnost“, 1987/89,  im Kontrast Eric Fischls neokolonialen Reiseimpressionen endet, hinterfragt tiefsinnig, wohin mehr Offenheit führen wird. Über 30 Jahre nach Glasnost ist diese Ausstellung ein überaus interessanter Beitrag über künstlerische Entwicklungen, ihre Bewertung im Rahmen des künstlerischen Kontextes und aus der zeitlichen Distanz.

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„Mehr Glasnost“, Dimitrij Prigov, 1989 (li), „Cargo-Kulte“,  Eric Fischl, 1984 (re)@Michaela Schabel

Die Ausstellung Berlin – „The Cool And The Cold – Malerei aus den USA und der UdSSR 1960 – 1990“ im Gropius Bau ist noch bis 9. Januar zu sehen.