©Helmut Newton Stiftung
Helmut Newton absolvierte 1936 – 1938 eine Fotografenausbildung in Berlin, musste aber als Jude Berlin verlassen und kehrte erst in den 1960er Jahren nach Europa zurück, wo seine Karriere in Paris begann und er auch immer wieder in Berlin fotografierte. Das erklärt die spärliche Dokumentation der 1930er Jahre mit nur wenigen Motiven, darunter zwei Selbstbildnisse. Newtons Stil Modefotos vor Repräsentationsbauten zu inszenieren und Narrative zu entwickeln, die hinter der Modeästhetik neue Wirklichkeiten kreierten, brachten ihm den Durchbruch. Seine Mata-Hara-Spionage-Story entlang der Berliner Mauer sorgte 1963 für Aufsehen durch einen neuen selbstbewussten Frauentyp, sexy, klug und durchsetzungsfähig. Ende der 1970er Jahre fotografierte Newton im Auftrag der französischen Vogue ein Portfolio unter dem Titel „Berlin, Berlin!“, der für diese Ausstellung übernommen wurde. Mode degradierte Monumente zur Hintergrundkulisse. Nicht Generalmarschall Helmuth von Moltke steht im Mittelpunkt, sondern die hübschen Beine des Models.
©Helmut Newton Stiftung
Newton fotografierte Dessouswerbung nüchtern witzig in einem Schaufenster Westberlins oder romantisch am Schlachtensee. In erotischen Szenarien leuchtet braune Vergangenheit auf. Models werden zu Schauspielerinnen und berühmte Schauspielerinnen wie Hanna Schygulla vor dem Todesstreifen agieren für Newton als Model. Der Bezug seiner Aktbilder zum Thema Berlin erschließt sich allerdings nicht. 1990, das Jahr der Wende dokumentiert Newton ohne Models. Ein Loch in der Mauer genügt. Die „Reichtagsverhüllung“ 1998 von Christo bietet sich als Symbol für Newtons Wirken an, den Reiz der Verhüllung zu genießen und gleichzeitig unter die Verhüllung zu blicken.
Newtons ikonische, aber auch unbekannte Berlin-Bilder zwischen 1930 und 2000 werden in den Ausstellungsräumen vis-à vis aus dem Blickwinkel von 20 anderen bedeutsamen Fotografen supplementiert, darunter die Modebilder von Newtons fotografischer Lehrmeisterin Yva, die berühmten Kriegsbilder der letzten Berliner Gefechte 1945 von Jewgeni Chaldej. Arno Fischer fing mit der Kamera die nachdenklichen Gesichter der Menschen in Ost und West ein, Günter Zint revoltierende APO-Straßenszenen, Barbara Klemm charismatische Fotos vom Mauerfall. Bei den Modefotografien von F. C. Gundlach sind die Ähnlichkeit zu Newtons Motiven unübersehbar. Spektakulär ist die Collage „Die Mauer aus anderer Sicht“ von Arwed Messmer und Fritz Tiedemann, ein riesengroßes Format kombiniert mit 12 Folianten mit Abbildungen der gesamten Berliner Mauer. Die Wim Wenders Stiftung bringt ikonische Bilder von Wenders Film „Der Himmel über Berlin“ ein.
©Wim Wenders Stiftung
Demgegenüber spiegeln die jüngsten Fotografien wie beispielsweise von Maria Sewcz Detailaufnahmen von Füßen unter dem Tisch, angeschnittenen Porträts, von öffentlichen Abfalleimern die Banalität des Berliner Alltags. Interessant und kurzweilig ist „Berlin, Berlin“ einen Besuch wert.
„Berlin, Berlin“ der Helmut Newton Stiftung ist im Museum für Fotografie noch bis 16. Februar 2025 zu sehen.