Berlin – „Isa Genzken 75/75“ – eine Hommage zum 75. Geburtstag im Neuen Nationalmuseu

Ausstellung "Isa Genzken Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„X“, 1992 Isa Genzken©Michaela Schabel

Der Skulpturenpark in der verglasten ersten Ebene wirkt wie ein Film durch Isa Genzkens Schaffen, bestimmt von ihrer Begeisterung für alles Fließende und ihrer Abwehr gegen alles Starre. Nach minimalistischen Arbeiten bricht sie Materialien, Formen und Klischees immer mehr auf, indem sie eine Flut von Materialien mixt, um durch Übertreibungen und Absurditäten die wahren Realitäten und gesellschaftlichen Schieflagen unserer Zeit vorzuführen, gekonnt von Kurator Klaus Biesenbach, Direktor der Neuen Nationalgalerie, und Lisa Botti, seiner kuratorischen Assistenz, nach der Art einer Antikensammlung in Szene gesetzt, mit viel Raum für jede Skulptur aus unterschiedlichsten Perspektiven.

Menschliche Körper degradieren zu genormten Schaufensterpuppen mit teilnahmslosen Gesichtern oder Masken, aufgepeppt mit modischen Stiltrends, aber sich selbst völlig entfremdet, geschweige denn zur Kontaktaufnahme fähig. In diesem Kontext wird Nofretete mit Sonnenbrille zur coolen Queen des schönen Scheins. Narziss posiert immer noch vor dem Spiegel. Ein umgekippter Rollstuhl, der Sitzfläche beraubt, dafür mit einer gold schimmernden Lehne ausgestattet, verweist auf den Umgang mit Kranken und deren materielle Ausbeutung. 

Vor dieser satirischen Zuspitzung gewinnen die minimalistischen Arbeiten der Anfangsphase durch ihre reduzierte Materialität eine fast balsamische Aura. 

Eine fotografische Werbeserie für Hifi-Türme, das modernste, was es Ende der 1970er Jahre in diesem Bereich gab, wurde für Isa Genzken zum Initialerlebnis. „So gut musste eine Skulptur sein.“ Unter diesem Anspruch entstanden handwerklich betrachtet ihre beeindruckendsten Arbeiten, minimalistische „Ellipsoide“ und „Hyperboloide“, extrem schlanke Holzskulpturen von sechs bis zwölf Metern, die nur auf einem oder auf zwei Punkten am Boden aufliegen.

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„Ellipsoide “ und „Hyperboloide“, Isa Genzken©Michaela Schabel

Umso wuchtiger wirken ihre Fensterrahmen aus Beton. Auf ganz grazilen Stelen präsentiert werden alltägliche Bauteile zu Symbolen der Wechselbeziehung zwischen Innen und Außen und provozieren gleichzeitig zum Dialog mit Mies van de Rohes Museumsbau. Mehrteilige Fenster stehen nur durch die Scharniere gestützt ohne Sockel elegant im Raum wie Paravents als Möglichkeit neue Räume zu durchschreiten und zu erleben. Flugzeugfenster verwandeln sich, das Metall rundherum bemalt, in alles beobachtende Augen. Ein Klumpen Beton mit einem Stück Draht avanciert als „Weltempfänger“ zum witzigen Kommunikationsmodell. Die gold glänzende Skulptur „X“, inspiriert von den Stahlskelettkreuzen des John-Hancock-Gebäudes in Chicago, besticht durch ästhetische Ausgewogenheit, während sie ihr Faible für New York in wackeligen Balancen übereinander geschachtelter Stelen und Säulen aus Alltagsmaterialien von Spiegelfragmenten bis Geschenkpapier materialisiert. Mit Vornamen tituliert lassen sie sich auch als anthropomorphe Satiren interpretieren. Mit handgemachten Assemblagen karikiert Isa Genzken in der Serie „Fuck the Bauhaus“ unseren Lebensstil und unsere Produktionsweisen Bauten mittels Pizzakartons und Versandboxen. Während sie in „New Buildings for Berlin“ durch Glasplatten in verschiedenen Farben eine neue Baurichtung visioniert. In ihrer jüngsten Arbeit „Untitled 2018“, eine Bodencollage aus langjährig gesammelten Zeitschriften und Einkaufstüten ergibt sich Isa Genzkens pessimistisches Resümee zwischen „KaDeWe“, „Teurer Traum“ und „Stunde Null“ trotz poetischen Rose vor der Neuen Nationalgalerie.

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„Pink Rose“, 2016/2023, Isa Genzken©Michaela Schabel

Die Ausstellung „Isa Genzken 75/75“ ist in der Neuen Nationalgalerie noch bis zum 27. November 2023 zu sehen. Für den Gang durch die Ausstellung empfiehlt sich die kostenlos ausgelegte Ausstellungsbroschüre mitzunehmen.