©General Idea, Foto: Michaela Schabel
Eine Serie von Schwarz-Weiß-Fotos mit eingeschnürten Körperteilen offeriert gleich beim Eintritt zur Ausstellung das grundlegende Thema, die trotz aller Abgrenzungen inhärente Verbundenheit zwischen Kunst, Wissenschaft und Pornografie.
Die früheren Arbeiten waren im Kern experimentell und bedienten sich der Strategien der konzeptionellen Kunst, Performance und Mail Art. Über Pamphlete, Tonaufnahmen, Fotografien und Gebrauchsanleitungen führte General Idea aktuelle gesellschaftliche Themen ein, die später immer wieder unter den gängigen Methoden der Konsumwerbung aufgriffen wurden. Indem sich Bekannte in ungewöhnlichen Positionen 1970 fotografieren ließen, hinterfragte man die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt. Bei dem Projekt „Orgasm Energy Cart“ (1970) sollten die TeilnehmerInnen über einen Fragebogen mit leerem Diagramm ihre Orgasmen während eines Monats eintragen. Im Vorfeld eines Schönheitswettbewerbs entwickelte „Miss General Idea“ (1971) durch die Kombination von Leder und Pumps entgegen der üblichen normativen Vorstellungen eine neue Ästhetik von Geschlecht. Durch die Weiterführung zum „Miss General Idea Pavillon“ (1984), mutierte das Künstlertrio zu Architekten, die fiktive Räumlichkeiten erfanden inklusive fiktiver, architekturbetonter Mode, womit General Idea der Durchbruch in der Kunstszene gelang. Die „Cocktailbar“ mit berauschenden Drinks wurde zum Symbol für die Bewältigungsstrategien der Kunstwelt.
General Idea dagegen setzte sich dagegen immer mit der Gegenwart auseinander. Nach der ersten Ausstellung im Stedelkjk Museum Amsterdam 1979 rückten die drei Künstler die Museumsobjekte als Überreste verlorengegangener Rituale in den Mittelpunkt und entdeckten das Image „des Pudels Kern“ im Sinne von Goethes „Faust“, das sie in großen Werbeplakaten ad absurdum führten. In anderen Arbeiten bedient sich General Idea künstlerischer Strategien. Mit einer neo-impressionistischen Form des Pointillismus über das Bild hinaus auf den Bilderrahmen rückt die Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 ins Bewusstsein. In diesem Kontext konterkariert die Zeichnung „The End“, das Schlussbild eines Westerns mit drei in den Sonnenaufgang reitenden Cowboys den US-amerikanischen Happy-End-Mythos.
Als General Idea nach den großen Erfolgen in Europa von Toronto nach New York umzog, um den internationalen Kontakt zur Kunstszene aufrechtzuerhalten, wurde Aids zum großen Thema, noch bevor, Felix Partz und Jorge Zontal sich infizierten. Über „Imagevirus“ und „AIDS“, sich wiederholende Farbmuster aus Rot-Blau-Neongrün wie Werbung großflächig auf Plakatwänden und öffentlichen Verkehrsmitteln ständig präsent wurde das Thema Aids in der Öffentlichkeit omnipräsent, in der jetzigen Retrospektive durch mehrere Räume hervorgehoben. Ein „Monat Azt“ (1991) rückte die ersten Medikamente Amoxicillin, Bacampillicin und Carbenicillin adäquat zu ihrer Bedeutung als riesige Pillenskulpturen in den Mittelpunkt.
©General Idea, Foto: Michaela Schabel
Aber auch der Kunstbetrieb wurde zum Thema. General Idea liebte es die Ikonen der modernen Kunst über kleine Veränderungen in ihrer Einzigartigkeit zu konterkarieren und für das eigene Label zu benutzen. Auf Gerrit Rietvelds berühmtem Stuhl ersetzte General Idea 1994 die Primärfarben durch giftig kontaminiert wirkendes Neongrün anstelle von Gelb. In „Magic©Bullet“ und „Magic©Carpet“ verwandeln sich Andy Warhols „Silver Clouds“ und Dan Flavins Lichtkunst in ein unterkühltes Multiple-Spiel. Aus einem bedrohlich metallisch grauen Wolkenungetüm schweben kleine Silberplastikwölkchen auf die grell leuchtende Erde, durchaus eine Metapher für die Zeitenwende unserer Tage.
Die Ausstellung „General Idea“ im Gropius Bau ist noch bis 14. Januar zu sehen.