Berlin – „Frans Hals. Meister des Augenblicks“ in der Gemäldegalerie

Ausstellung "Frans Hals. Meister des Augenblicks" in der Berliner Gemäldeausstellung präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Bildnis des Pieter van den Broecke“ (Detail), Frans Hals, 1633@Sammlung Kenwood House, Foto: Michaela  Schabel

Die Berliner Gemäldegalerie punktet mit der ersten großen Frans-Hals-Ausstellung in Deutschland, möglich durch die Kooperation mit der National Gallery in London und dem Rijksmuseum Amsterdam, wo „Frans Hals. Meister des Augenblicks“ bereits begeistert rezipiert wurde. 

Durch seine ungewöhnlichen Motive und seine spontane Malweise setzte Frans Hals (1582/83–1666) innovative Impulse. 50 Gemälde, etliche zum ersten Mal in Deutschland zu sehen, ungefähr ein Viertel seines künstlerischen Schaffens dokumentieren seinen unverwechselbaren Stil, zusätzlich im Vergleich mit 25 Werken seiner Schüler und Künstlerkollegen. Durch die neue Ausstellungsarchitektur mit Podesten, Trennwänden und einer eingezogenen Durchsicht mit Blick auf das monumentale, über vier Meter breite Schützenstück „De magere compagnie“ kommt die konzeptionelle Präsentation in sieben Kapiteln sehr gut zur Wirkung. 

„Der fröhliche Trinker“ (ca.1628/30) eröffnet als Plakatlabel und im Original gleich zu Beginn der Ausstellung Frans Hals´ neue Wege und „Innovationskraft“. Das große Novum war, dass er nicht nur die Reichen, sondern auch die Außenseiter der Gesellschaft porträtierte, und die Art, wie er sie malte. In natürlicher Haltung, trotz ärmlicher Kleidung mit sympathischem Gesichtsausdruck macht er Randgruppen der Gesellschaft sichtbar und gab ihnen ihre Würde zurück. Sein lockerer Farbauftrag mit spontan bewegten Pinselstrichen gibt den Porträts eine ungewöhnliche, impressionistische Lebendigkeit und das differenzierte Lächeln von sanft, melancholisch bis zur fröhlichen Überschwenglichkeit den Porträtierten eine persönliche Note. Durch neue Posen, auf dem Stuhl sitzend der Oberkörper nach rechts gedreht, verleiht er ihnen eine natürliche Anmut.

Die Grenzen zwischen „Porträt und Genremalerei“ verschwimmen. „Lachender Knabe“ (ca. 1625) ist kein individuelles Porträt, sondern ein Charakterkopf, wobei sich Hals unabhängig von den Wünschen der Auftraggeber erproben konnte. Die eigenen zehn Kinder könnten Modell gestanden sein und ihn zum Maler des Lächelns inspiriert haben. Glücklich wirken die Kinder auf den Bildern und auch die Ammen lächeln beherzt, als wären sie die Mütter und als gäbe es keine Standesgrenzen. 

Selbst den „Eliten der Gesellschaft“ zaubert Hals ein Lächeln ins Gesicht, wodurch er sie nahbarer macht. Er lässt sie die Arme verschränken oder einen Arm in der Taille abstützen, um subtil auf Charaktereigenschaften zu verweisen. Das gilt auch für die großen Gruppentableaus. Man hat das Gefühl, die Bilder leben, die Menschen atmen.

Der Gegenpol sind die Porträts „Am Rande der Gesellschaft“ für den freien Kunstmarkt. Die Bilder über einfache Leute, Arme, Säufer und Prostituierte als Porträts oder Halbporträts ganz nah und lebensecht mit bewegten Pinselstrich gemalt waren sehr beliebt und preiswert zu haben. 

Das Gemälde der „Malle Babbe“ („Verrückte Barbara“) ist besonders hervorgehoben. Modell stand, historisch nachgewiesen, eine Frau, die wegen unsittlichen Verhaltens in das Haarlemer Arbeitshaus gebracht wurde. Den Augenblick ihres ungehemmten Lachens hält Hals wie in keinem anderen Bild mit skizzenhafter Spontaneität fest, naturalistisches Porträt und idealtypisches Genrebild in einem. 

Ausstellung "Frans Hals. Meister des Augenblicks" in der Berliner Gemäldeausstellung präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

„Malle Babbe“, Frans Hals, um 1640, Berlin © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie. Foto: Michaela Schabel

Sich selbst und religiöse Motive malte Hals dagegen kaum. Ein Selbstbildnis in einem Gruppenbild und zwei der vier gemalten Evangelisten sind in der Ausstellung zu sehen. 

Sehr interessant ist das Kapitel von Hals’ „Zusammenarbeit zwischen Wunsch und Konflikt“. Die Besetzung Antwerpens durch die katholischen Spanier ließ viele Protestanten, auch Hals, in das tolerantere Haarlem fliehen, wodurch sich flämische Gemeinschaften auch in der Kunstszene etablierten. Hals malte beispielsweise eine Obstverkäuferin in das Bild eines Stilllebenspezialisten oder lässt einen Landschaftsmaler den Hintergrund eines Porträts gestalten. Zuweilen werden auch von Hals angefangene Bilder, vermutlich auf Wunsch des Auftragsgebers, von anderen Malern ergänzt oder vollendet. 

Final dokumentiert „Das ‚volck‘ von Frans Hals Schülern und Mitarbeiter*innen“, dass er als Vorbild und Lehrer nicht kopiert wurde, sondern jeder Künstler seinen eigenen Weg fand, allerdings ohne an die Ausdruckskraft des Meisters heranzukommen. Dieses Kapitel formal zu gendern, trifft die Realität nicht, ist vielleicht ironisch gemeint, wirkt aber eher lächerlich. Selbst in Hals’ eigener Familie durften nur die Söhne das Malen lernen. 

Gut gelungen dagegen ist die Positionierung der einzigen Fälschung von Hals’ „Der fröhliche Kavalier“ in deutlicher Distanz an der hintersten Ausstellungswand nach dem Impressum. Es lohnt einen Blick, weil die Kopie die bestechende Aura des Originals hervorhebt. Wie bedeutsam Frans Hals für die Realisten und Impressionisten wurde, bekannte Lovis Corinth, als er 1907 das „Bildnis eines Mannes mit Schlapphut (Kopie nach Frans Hals)“ malte und konstatierte: „Frans Hals hat genau so gemalt wie ich“, nur eben gut 200 Jahre früher. 

Zur Ausstellung ist ein neuer, sehr umfangreicher Katalog erschienen mit Beiträgen zu allen Bildern und vielen Essays. 

Die Ausstellung „Frans Hals. Meister des Augenblicks“ ist bis 3. November 2024 in der Berliner Gemäldegalerie zu sehen.