„Liebkosungen“ Fernand Khnopff (1896) ©Michaela Schabel
In 13 Kapiteln bietet die Alte Nationalgalerie in der zweiten Etage einen ausführlichen Überblick über den belgischen Symbolismus. Durch die kleinteilige Kabinettstruktur um den Hauptraum herum kommen die vielfältigen thematischen Schwerpunkte dieser Ausstellung bestens zur Wirkung. Gleichzeitig erscheinen Bilder desselben Künstlers unter ganz verschiedenen Fragestellungen, wodurch die Besucher die Bedeutung der einzelnen Künstler für den Symbolismus sehr gut erfassen können.
Über George Minnes „Jünglingsbrunnen“, das in Deutschland wohl bekannteste Bildhauerwerk des Symbolismus blickt man auf Jean Delvilles „Die Liebe der Seelen“ und ist mittendrin bei den wichtigsten Motiven dieser Epoche „Frau als Rätsel“ kombiniert mit „Rendevous mit dem Tod“.
„Jünglingsbrunnen“ George Minne (1895) ©Michaela Schabel
Die Bilder im Hauptraum beeindrucken schon allein durch ihre großen Formate und der damit oft verbundenen extremen Strahlkraft. Die Frau als femme fatale, geheimnisvoll, unergründlich, wollüstig steht im Zentrum nicht nur in den Werken von Fernand Khnopff.
Bei Felicien Rops oder Jean Delville kommt dazu noch das Esoterische und Dämonische hinzu.
„Der Engel der Herrlichkeit“ Jean Deville (um 1894) ©Michaela Schabel
„Porträt der Madame Stuart Merrill, Mysteriosa“ Jean Delville (1892) ©Michaela Schabel
Der Symbolismus beeinflusste aber nicht allein das Porträt und Figurenbild, sondern schlug sich als paysage symboliste auch in der Landschaftsmalerei etwa von William Degouve de Nuncques und Fernand Khnopff nieder. Die Menschen scheinen unter psychotischer Hochspannung zu stehen, lassen in den Bildern Léon Spilliaerts an traumatische, kafkaeske Filmsequenzen denken.
„Vertigo“ Léon Spilliaert (1908) ©Michaela Schabel
Das Meer wird zum Spiegel psychischer Ambivalenzen. Nicht minder geheimnisvoll wirken die Interieurs Xavier Mellerys, Georges Lebruns und Léon Spilliaerts mit großen Treppen, nebulösen Lichteinfall in patinierten Farbstimmungen jederzeit vorstellbar als Orte des Verbrechens, die niemals aufgedeckt wurden.
„In Venedig“ William Degouve de Nuncques (1895) ©Michaela Schabel
Die Künstler selbst neigten zu Pathos, stilisierten Kunst zur Religion, sich selbst zum Priester oder Propheten und entwickelten einen esoterischen Ästhetizismus. Andere Künstler machten in Selbstporträts ihre Affinität zum Tod deutlich. Spilliaert durch ständige Magenschmerzen des Schlafes beraubt malte oft nachts. Das knöchrige skeletthafte Gesicht mit tiefliegenden, schwarz umrandeten Augenhöhlen wirkt gespenstisch, vom Tod gezeichnet.
„Selbstbildnis mit rotem Stift“ Léon Spilliaert ©Michaela Schabel
Zur Ausstellung bekommt der Besucher eine kostenfreie Broschüre „Dekadenz und dunkle Träume Der belgische Symbolismus“, in der die einzelnen Werke genau beschrieben sind. Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 17.01.2021 in der Alten Nationalgalerie.