©Daniel Boyd, Foto: Michaela Schabel
Seit den frühen 2010er Jahren arbeitet der Künstler mit Punkten, die er „Linsen“ nennt und die seine Bilder in pointillistischer Unschärfe flimmern lassen. Das Dargestellte ist kaum zu erkennen. Gesicht und Umrisse lösen sich auf. Figuren werden gleichsam zu Lichtgestalten, eine gelungene Methode das rigide Vorgehen der Kolonialmächte zu chiffrieren und gleichzeitig zu dechiffrieren.
Daniel Boyd thematisiert seine eigene Familiengeschichte mit pazifischen Wurzeln, setzt auf indogenes Wissen und ist stark beeinflusst von der Gestalttheorie des französischen Dichters und Philosophen Èduard Glissant (1928-2011), der dem „kontinentalen Machtdenken“ in Systemen und Blöcken ein neues „archipelisches Denken“ auf der Basis multikultureller Mischung entgegensetzt. In diesem Kontext erschließt sich auch der Titel der Ausstellung „Rainbow Serpent (Version)“. Die Gemeinschaften der First Nations Australiens hatten alle verschiedene Schöpfungsgeschichten, in denen die Regenbogenschlange symbolisch in unterschiedlichen Facetten als verbindendes Element auftauchte. Der Fokus liegt bei Daniel Boyd eben nicht auf den Unterschieden, sondern auf der Vision synergetischer Energien und vor allem auf der Würde der indigenen Gemeinschaften und ihren Menschen.
„Untitled“, Daniel Boyd (Ausschnitt), 2021@Daniel Boyd, Foto: Michaela Schabel
Daniel Boyds künstlerischer Pointillismus zwischen Lichtkreisen und schwarzen Zwischenbereichen setzt auf ständiges Wechseln zwischen Transparenz und Opazität und provoziert dadurch ein individuell inhaltlich konnotiertes Gleiten zwischen Sichtbarmachen, Verschwimmen und Wiederentdecken. Das bezieht sich in erster Linie auf die Vertreter kolonial versklavter Vorfahren und die KämpferInnen für Freiheit und Menschenrechte wie Angela Davis. Über ein Modell der Akropolis und pointillistische Bilder antiker Skulpturen provoziert Daniel Boyd darüber hinaus zur kritischen Reflexion der westlichen Werte und Vorbilder infolge des antiken Klassizismus.
Reduziert gehängt, nur ein bis maximal zwei Bilder an den großen Wandflächen, die extrem großzügigen Fenster ebenfalls mit gelochter, schwarzer Folie verschattet, dazwischen ein düsteres Segelschiff, entwickeln die Räume des Gropius Baus eine meditative Leere, die durch das Gefühl uneingeengter Weite beflügelt und innovative Gedanken ermöglicht.
In diesem Kontext wirkt ganz bewusst in traditioneller Manier gemalt ein Gemälde sehr befremdlich. Es ist ein Porträt des Botanikers Joseph Banks, der James Cook auf seiner Reise auf der HMS Endeavour (1768-1771) nach Australien begleitete. Daniel Boyd stellt ihn mit Augenklappe wie einen Piraten dar, der vor dem enthaupteten Kopf eines Freiheitskämpfers gegen den Kolonialismus posiert, der nach London geschickt wurde. AktivistInnen der First Nations setzen sich noch immer für dessen Auffindung und Rückgabe nach Australien ein. Von diesem Bild ausgehend erschließt die Ausstellung die ganze Dramatik indigener Versklavung und Auslöschung. „Daniel Boyd. Rainbow Serpent (Version)“ ist im Berliner Gropius Bau noch bis zum 9. Juli zu sehen.