Berlin – Ausstellung „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft“ aus der Sammlung der Nationalgalerie 1945 – 2000 

Ausstellung "Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Michaela Schabel

Diesbezüglich ist der erste Raum konzeptionell am überzeugendsten, in dem westliche abstrahierte Arbeiten unmittelbar mit Kunst des sozialistischen Realismus kontrastieren und den Unterschied selbsterklärend dokumentieren. Wieland Försters Bronzeskulptur „Verzweifelter“ (1967) wendet den Blick „In Erinnerung an den 13. Februar 1945 in Dresden“ ab. Ganz anders strahlt Hans Arps „Torso“ (1957) in neuer Ästhetik. Rundherum leuchten Gemälde aus Ost und West. In diesem Kontext macht Mark Rothkos monochromes „Rot“ (1961) die Spannbreite zwischen Gewalt und Emotion fühlbar. Boris Nemenskij aus Moskau wählt dafür „Auf der namenlosen Höhe“ im gleichen Jahr eine nicht minder wirkungsvolle naturalistische Darstellung von zwei erschossenen Soldaten, das wie so manch anderes Bild von der Ausstellung „The Cool And The Cold – Malerei aus den USA und der UdSSR 1960 – 1990“ im Gropius Bau (siehe Berichterstattung von 12.11.21) in Erinnerung geblieben ist. In der Neuen Nationalgalerie weitet sich die „Zerreißprobe“ zusätzlich durch die Vielfalt westlicher Konzepte. Aufbruch und Aufarbeitung von Holocaust und Krieg, Kaltem Krieg und Mauerfall führten zu Spannungen innerhalb der Gesellschaft und zu fundamentalen Neuausrichtungen in der bildenden Kunst. Titelgebend ist die radikale Performance des Wiener Aktionisten Günter Brus von 1970, in der er sich bis an seine körperlichen Grenzen dem Zug von Stahlseilen aussetzte. 

14 Kapitel greifen zentrale künstlerische wie gesellschaftliche Themen des 20. Jahrhunderts auf, etwa die Frage nach Realismus und Abstraktion, Politik und Gesellschaft, Alltag und Pop, Feminismus und Identität oder Natur und Ökologie, dokumentiert durch Gemälde, Objekte, Fotografien und Videoarbeiten aus der Bundesrepublik, der ehemaligen DDR, Westeuropa und den USA und künstlerische Entwicklungen aus den ehemaligen sozialistischen Staaten, wobei vor allem die Arbeiten von Wolfgang Mattheuer, schon in ihrer subtilen Distanz zum sozialistischen Realismus das Ausstellungssthema gekonnt ausleuchten.

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„Brasker Landschaft“, 1967, Wolfgang Mattheuer©Neue Nationalgalerie Berlin, Foto: Michaela Schabel

Lucio Fontanas „Raumkonzept. Erwartung“ visualisiert es verblüffend präzise allein mit einem aufgeschlitzten Stück Papier. Bezogen auf die ökologischen Abhängigkeiten und Begrenztheiten sind Günther Ueckers zugenagelte Baumstümpfe und Joseph Beuys legendäre Multiple „Capri-Batterie“ (1985), eine Zitrone mit Anschluss an eine gelbe Glühbirne, aktueller denn je.

Die Ausstellung dokumentiert zugleich das breite Spektrum der klug aufgebauten Sammlung der Neuen Nationalgalerie mit Werken des Informel, der US-amerikanischen Farbfeldmalerei, des Realismus der 1970er-Jahre, der Pop- und Minimal Art und der Konzeptkunst von KünstlerInnen wie Marina Abramović, Joseph Beuys, Francis Bacon, Lee Bontecou, Rebecca Horn, Valie Export, Wolfgang Mattheuer, Louise Nevelson, Bridget Riley, Pippilotti Rist oder Andy Warhol. Ergänzt wird die Präsentation schlaglichtartig um Werke von Künstlerinnen wie Kiki Kogelnik oder Ewa Partum, die bisher nicht in der Sammlung der Neuen Nationalgalerie vertreten sind.

Die Ausstellung „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft“ aus der Sammlung der Nationalgalerie 1945 – 2000 ist bis zum 28. September 2025 zu sehen.

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