Regensburg – Uraufführung von von Georg Reischls „Drum Dancing“

Kritik "Drum Dancing" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Bettina Stoess

In witzigen Kostümen, getupften Bodys, gestreiften Hosen und Hemdchen in Transparentlook, kreiert von Min Li, wirbeln zehn Tänzer*innen im ständigen Wechsel aus dem Orchestergraben  über die Bühne  und verschwinden über eine Schräge wieder im Nichts (Bühne: Natascha von Steiger) . Immer wieder von Neuem  formieren sie sich in unterschiedlichsten Konstellationen, teilweise rhythmisch  in synchronen  Tanzformationen mit spanischen Armposen als Fixpunkt tänzerischer Grandezza, mit verführerisch gewinkelten Beinen,  rasanten Drehungen zum dynamischen Drive des Schlagzeugs. In raffinierten Lichtwechseln (Licht: Wanja Ostrower, Natascha von Steiger) werden die Tänzer*innen zu grazilen Schattenwesen, gleichzeitig zu Metaphern des peinigenden Ordnungssystems des Balletts,  das sie in  entindividualisierte Wesen  verwandelt.

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©Bettina Stoess

Doch schon hier überraschen raffinierte Hebefiguren mit einem Griff am Unterschenkel die Schwerkraft überwindend. Letztendlich sinken alle Tänzer*innen  völlig entkräftet zu Boden.

Vor diesem Hintergrund werden im zweiten Teil  die Anspielungen  auf die Heyokas deutlich, zumal eine Stimme aus dem Off, allerdings etwas arg pathetisch, den Zuschauern, die Botschaft erklärt, die Vincent Glanzmann für diesen Tanzabend eigens im  Programmheft formulierte. Wie einst die Heyokas fordert er die  Befreiung von  der Ernsthaftigkeit des Lebens, stattdessen eine  Hinwendung zum Humor als befreiendes Lebenselixier. „Das Leben kann ja so befreiend lächerlich sein“. Diese Einladung zu einem mentalen Tanz der Freiheit realisieren die Tänzer*innen im vergnüglichen Gänsemarsch mit quietschenden Gummitierchen, allen voran Vincent Glanzmann mit der Trommel  wie einst der Rattenfänger von Hameln. Doch er führt die Tänzer*innen nicht ins Unheil, sondern in die Ekstase des rituellen Tanzes. Offen für Neues, für Diversität im Tanz  lösen sich die alten Ordnungsmuster auf, durchbrechen Solisten die Synchronität, vibrieren Körper im  Rhythmus der perkussiven Dynamik. Aggressives Gegeneinander verwandelt sich in ein wildes ineinander Verschlungensein, trainierte Muskeln entspannen in witzigen Wackelpudding-Bewegungen, Drehungen erfolgen  auf dem Kopf, Gruppenbilder werden zu parodistischen Vexierbildern. Einige Tänzer*innen mit Masken auf dem Hinterkopf verwandeln die Szenerie, intensiviert durch die Lichteffekte, in ein  Spiel surrealer Bewegungscluster, die  psychodelische Trancewelten vermitteln und an den Dionysos-Kult erinnern. Eine riesige einschwebende Heyoka-Maske signalisiert, die verkehrte Welt hat sich durchgesetzt. 

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©Michaela Schabel

Mit dieser zweiten Uraufführung  in Regensburg signalisiert Georg Reischl einmal mehr, dass er neue Wege beschreiten will, die  das Ensemble und das ganze Tanzteam mit Enthusiasmus als ausgesprochen  kurzweiliges, humorvolles  und mitreißendes Tanzstück umsetzt. Das Publikum ist begeistert.