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Ein Drohne lässt einen Transporter explodieren. Die Schulkinder lernen, wie sie sich bei Drohnenalarm verhalten müssen. Doch der Debütfilm „The Village Next to the Paradies“ des somalischen Filmemachers Mo Harawe ist kein Thriller, vielmehr kreist um die Frage…
wie schwierig das Überleben in Somalia ist, warum Mamargade, ein alleinerziehender Vater, der es eigentlich immer besser machen möchte, ein ums andere Mal scheitert und schließlich im Gefängnis landet. Die Männer rauchen Kath, die Frauen arbeiten und streiten vor Gericht um ihr Recht. Sie wirken durchwegs energisch, nicht nur wenn der Wind ihre Kleider aufbauscht. Für niemanden ist das Dorf ein Paradies, fast jeder führt ein kümmerliches Dasein. Kleinkriminalität gehört zur Überlebensstrategie. Marmargade ist Gelegenheitsarbeiter. Er hebt die Gräber aus, doch wird ihm nur der halbe Lohn ausgezahlt. Wo soll er das Geld hernehmen, damit seinen klugen Sohn ins Internat in der nächsten Stadt schicken kann, nachdem die Schule wegen Spenden- und Personalmangel schließen musste? Er beklaut die Schwester, verdient sich als Waffenschmuggler etwas Geld und wird erwischt, weil er einen Faulpelz als blinden Passagier mitnimmt.
Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven kristallisiert Harawe ein atmosphärisches Stimmungsbild heraus. In langen, wortlosen Einstellungen entfaltet sich die Aura der Menschen, werden menschliche Beziehungen und Charaktere deutlicher.
In kargen Dialogen, monotonen Ja- und Nein-Antworten werden einzeln Sätze umso bedeutungsvoller. Was zählt ist der menschliche Zusammenhalt durch die Bande der Familie. Dann können auch Tiefschläge, verursacht von rücksichtslosen Menschen, überwunden werden, wie die Tante beweist.
Jede Szene gewinnt in diesem Kontext eine emotionale Tiefe.
In der Dorfschule erzählt der kleine Cigaal einem Schulkameraden seine Träume vom Paradies. Doch im Internat vom Heimweh geplagt kann er sich morgens nicht mehr an seine Träume erinnern. Die Schuluniform signalisiert ein besseres Leben, doch für Cigaal ist das Dorf das Paradies. Er sehnt sich danach nicht nur das Wochenende mit seiner Tante im Dorf zu verbringen. Wenn sie gemeinsam am Strand einen Drachen steigen lassen, ist das für Cigaal das Paradies. Die Tante wird zur Inkarnation der Hoffnung. Durch Fleiß, Disziplin und pragmatische Klugheit erfüllt sie sich ihren Traum von der eigenen Schneiderei, auch wenn es nur eine zusammengezimmerte Hütte ist. Die Windräder in der Ferne locken sie nicht. Sie fühlt sich schon im Paradies und ein polyphoner Hammondorgelsound orgelt gefühlvoll im Hintergrund. Das Paradies liegt in den menschlichen Zusammenhalt und noch mehr in einer Aufgabe, für die man sich begeistert.
„The Village Next to Paradise“ ist der erste somalische Film, der unter der prestigeträchtigten Sektion „Un Certain Regard“ in Cannes 2024 gezeigt wurde.
Künstlerisches Team: Mo Harawe (Drehbuch, Regie, Mostafa El Kashef (Kamera), Sarah Ismail (Kostüme), Joana Scrinzi (Cutterin)
In den Hauptrollen: Ahmed Ali Farah, Anab Ahmed Ibrahim und Ahmed Mohamud Saleban