©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai
Ella Schulz als Zofe Solange führt die Zügel in der Hand. Sie dominiert ihre kleine Schwester Claire, auch wenn sie die gnädige Frau spielt, reizt sie mit den pinkfarbenen Spülhandschuhen, mit derben Ausdrücken, Anspielungen auf diverse Liebhaber und zeigt zwischendurch als knicksende Zofe parodistische Demut. Schrill, kraftvoll, in immer neue Facetten zurrt Ella Schulz den Spannungsbogen fester.
Herrlich imitiert Friederike Baldin die Madame, hebt ab ganz verinnerlicht in die Höhen der besseren Gesellschaft und verweist Solange in die Niederungen der Dienstbotenwelt. „Sie sind keine Menschen, sie sind Mief.“
Antonia Reidel als Madame im Gegensatz zum Original von Anfang an mit dabei beobachtet über den Spiegel gelassen das Spiel, als wären es ihre eigenen visualisierten Gedanken, die plötzlich ganz neue Wendungen nehmen, worauf sie mit einem überraschten Blick reagiert.
Erst allmählich kristallisiert sich der Plot verwickelter Liebesbegehrlichkeiten heraus, wer mit wem die Lust geteilt hat. Der jungen Milchmann scheint für alle drei recht attraktiv zu sein, nicht minder der gnädige Herr. Faktum ist, dass er wegen diskreditierender Briefe einsitzt, seine Frau ohne ihn die Lebensfreude verliert und sein desaströses Verhalten mit der eigenen Tugend ausgleichen will. Sie verschenkt ihre Kleider an die Zofen. Doch längst haben sie sich die Mimik, Schminke und Kleidung der Herrin zu eigen gemacht. Ihr Rollenspiel schützt sie davor, nicht an ihrer unterprivilegierten Existenz zu ersticken.
©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai
Wie Ella Schulz und Friederike Baldin das umsetzen, ist großartig, zumal der exzellente Bildschnitt präzise das ausdrucksstarke Spiel in Nahaufnahmen erleben lässt, mit Antonia Reidels vielsagenden Blicken dazwischen. Claire hebt hyperventilierend in mörderischer Rigorosität ab, visioniert sich mit Solange als verbrecherisches Mörderpaar. Claire holt sie sanft an den Füßen streichelnd, das Kinderlied „Frère Jacques“ singend zurück in die Gefilde vertrauter Schwesternschaft.
Madame sitzt mit intrigantem Blick vor dem Spiegel, befreit sich von ihrer Angst, kann wieder schneller denken, weiß, wo der Verrat lauert, entwischt elegant den Mordattacken und bricht doch wieder emotional ein. Auch sie erstickt in ihrer Rolle, das gemeinsame Band dieser drei Frauen, die sich gar nicht so stark unterscheiden, wie das Kleiderkonzept signalisiert. Sie tragen die gleichen Kleider, zeitlich versetzt in den Symbolfarben, rot wie ihre erotischen Bedürfnisse, Schwarz als Ausdruck existenzieller Trauer. Nur das weiße Kleid, Symbol unschuldiger Opfer, tragen sie am Schluss gleichzeitig. Momente der Befreiung finden alle drei nur im Tanz, der die Inszenierung leitmotivisch gekonnt aufpeppt.