©Rowohlt Verlag
Martin Walser ringt mit seinem Leben. Noch kann er nicht loslassen. Er möchte lernen, nichts mehr von sich zu erwarten, weil er nichts mehr von sich zu erwarten hat. „Ich weiß das. Aber glaube es nicht.“ Das ist der Gordische Knoten nicht nur seiner späten Jahre.
Wenn die Welt nicht so schön wäre, die Bäume, die Wiesen, die Natur, wenn er nicht immer alles an sich reißen würde, „wär alles gut“, bekennt er. Doch das kann er nicht. Er fühlt sich wie ein Streichholz den Augenblick, wo man das Streichholz wegwerfen muss, hinausschiebend. „Gern sterben kann ich nicht, aber tot wäre ich gerne. Nein, ich will noch nicht gehen.“
Er erkennt sein Unvermögen. Deshalb sucht er Zuflucht beim Konjunktiv und bei Jesus. Aber selbst die religiösen Wörter haben ihre Bedeutung verloren und Wünsche bleiben unerfüllt. „Warum schenkst du mir deine Marianne nicht? Ich wäre glücklicher mit ihr als du. Das weiß ich, und du weißt es auch.“
So bleibt Martin Walser nur die Natur. Sie ist ihm das Credo der Wahrheit und Schönheit, worauf der Untertitel anspielt, und Lebenshilfe. „Frier, erkälte dich, leide: Dann lebst du.“ Doch „wem zuliebe leide ich?“ fragt er weiter und spekuliert „wenn man könnte, was man müsste, wäre man vorübergehend glücklich.“
Kaum bricht sich ein optimistischer Gedanke Bahn „Fang Träume von glücklichen Menschen“, folgt ein pessimistischer. „Jeder von uns ist ein Hort der Nichtigkeit“. So quält sich Martin Walser durch das Alter. „Bewundernd und bewundert kommt man in die Welt, verachtet und verachtend verlässt man sie, wenn alles normal verläuft.“ Gerne möchte er weg sein, aber die Wörter halten ihn, verhindern „frei zu gehen, wohin das Kopfweh will“.
Was Martin Walser zu sagen hat, betrifft alle Menschen. Schöne Sprachbilder findet er, die berühren, kein bisschen sentimental, sondern ganz rational, holzschnittartig formuliert, reduziert, kein Wort zu viel. Mit „Sprachlaub“ ist Martin Walser ein Buch gelungen, das man gern immer wieder zur Hand nimmt.
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Martin Walser „Sprachlaub oder Wahr ist, was schön ist“, Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg, 2021, 75 S