©Wilfried Hösl
Puccinis Musik braucht keine neuen Deutungen. Sie lebt durch die Liebesgeschichte in armen Lebensverhältnissen eines unbekannten Poeten zu einer todkranken Frau.
Rudolf Heinrichs Bühne und Kostüme bebildern das Libretto von der ärmlichen Dachkammer über die Caféhaus- und verschneite Straßenszenerie wieder zurück in historischer Optik. Was auf der Bühne extrem dunkel und klein wirken würde, bekommt im Kamerazoom mehr Expression, zumal alle Mitwirkenden mit sehr viel Empathie ihre Rollen umsetzen, stimmlich bestens zusammenpassen, Gesang und Spiel zu einer berührenden Authentizität verschmelzen.
Rachel Willis-Sørensen ist eine großartige Mimi, die all ihre tiefen Empfindungen in betörender Klangschönheit zur Wirkung bringt. Klangrein, dramatisch, voll sanften Volumens. Herzinniglich betören ihre Duette mit Rodolfo, von Jonas Kaufmann in Hochform interpretiert, von der ersten Begegnung des Sich-Verliebens an, entzweit durch seine Eifersucht und ihre Verstörtheit bis zum Sich- Wiederfinden und leidvollen Abschiednehmen für immer.
©Wilfried Hösl
Hauchzart singt Rachel Willis-Sørensen ihre letzte Liebeserklärung „Du bist meine Liebe und mein ganzes Leben“ in „Sono andati? Fingevo di dormire“, wunderschön von der Harfe und vom retardierenden Puls des Orchesters umspielt. Dieser emotionalen Tiefe kann man sich kaum entziehen.
Mirjam Mesak gibt eine herrlich kokette Musetta ab. Ihr zauberhaftes Lächeln lässt alles Zickenhafte dieser Figur vergessen. Die latente Sehnsucht nach Liebe, die Mirjam Mesak in deren Partie entdeckt, macht Musetta zur Seelenfreundin Mimis. Zusammen mit Andrei Zhilikhovsky als Marcello kontrastiert und spiegelt dieses Liebespaar einmal mehr die Höhen und Tiefen der Liebe.
Auch Schenks fröhlich lebensfrohe Szenen der Bohemians funktionieren noch. Sean Michael Plumb als Schaunard setzt markante Tiefen. Tareq Nazmi als Colline singt und spielt den Komödianten und erkennt doch als erster ihren Tod.
So präsentiert sich „La Bohème“ als nostalgisches Kleinod, abgesehen vom Kellner, der mit Maske serviert, sicher ein ironisches i-Tüpfelchen gegenüber der derzeitigen Kulturpolitik.
Der Live-Stream wird ab 2. Dezember 30 Tage lang um 19 Uhr als Video-on-Demand ausgestrahlt