"Kultur macht glücklich"


Berlin – Molières „Der Menschenfeind“ im Deutschen Theater 

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Berlin – Molières „Der Menschenfeind“ im Deutschen Theater 

©Arno Declair

Wie Marionetten lässt Anne Lenk die Männerwelt sich verrenken, hampeln und strecken, vom Scheitel bis zur Sohle jeder ein Macho mit individuell komischem Profil. Trotz des historischen Impetus sind sie allesamt Karikaturen unserer Zeit. Die eitlen, genusssüchtigen Freunde Acaste (Jeremy Mockridge) und Clitandre (Elias Arens) aus bestem Hause, der Möchtegern-Poet Oronte (Tim Weisschnur) und natürlich der Titelheld. Großartig zeichnet Ulrich Matthes diesen Alceste zunächst als etwas weltfremden, überaus sturen Idealisten, dessen Botschaft zu sagen, was man denkt, in unserer manipulierten Gegenwart hell aufleuchtet. Man glaubt ihm seine Verzweiflung über das Menschsein um ihn herum, die auch sein lebenspragmatischer Freund Philine (Manuel Harder) nicht zu entkräften vermag. Alceste müsste seinen Glauben an sich selbst verlieren, wenn ihm die Menschen noch applaudierten. Genau deshalb liebt ihn die pummelige Élinate, herzerfrischend, sehr schlau hinter naiver Optik von Lisa Hrdina gespielt. Ist nicht Alceste der einzig Mutige in einer Gesellschaft, in der jeder Makel euphemistisch umschrieben wird? Nein, Alceste ist nicht viel besser als die anderen, wie sie selbst erkennen muss und deshalb den lebensklugen, kompromissbereiten Philine erhört. Auch wenn Ulrich Matthes diesen Misanthropen immer wieder sympathisch erscheinen lässt, sobald die Eifersucht ins Spiel kommt, dreht er genauso durch wie die anderen in ihrer Ehre gekränkten Verehrer. 

Im Mittelpunkt steht zunehmend die junge, hübsche Witwe Célimène, alias Franziska Machen mit spanischer Grandezza und jugendlichem Scharfsinn.

©Arno Declair

Sie hat die Hosen an und ihr fulminantes Rüschenoberteil umschmeichelt raffiniert ihre erotische Aura. Was soll sie mit all diesen überheblichen Männern? Sie genießt ihre neue Freiheit, amüsiert sich über die Referenzen und Galanterien der Männer, schreibt ihnen Briefchen und führt sie allesamt kokett an der Nase herum. Herrlich ist ihr ironischer Disput mit der Intrigantin Arsinoé, in der Judith Hofmann eine frustrierte Frau unserer Zeit entdeckt, deren Verführungskünste nur ins Lächerliche zielen. Sie würde jeden nehmen, wenn nur einer wollte. Célimène bleibt dagegen lieber allein, als sich von derartigen narzisstischen Machos einfangen zu lassen. Für eine Liebe, zwischen ihr und ihm, ganz in der Einsamkeit, wovon Alceste träumt, ist sie zu jung. Sie will ihr amüsantes Umfeld nicht verlassen. Doch Alcestes verzweifelte Einsicht „Ersatz für alles“ sein zu müssen, macht sie betroffen. Sehr ernst entschwindet sie durch die Gummischnüre der Wand in die inzwischen sehr fragil gewordene Flexibilität ihres Lebens.

Bühne: Florian Lösche, Kostüme: Sibylle Wallum