©Bettina Stoess
In witzigen Kostümen, getupften Bodys, gestreiften Hosen und Hemdchen in Transparentlook, kreiert von Min Li, wirbeln zehn Tänzer*innen im ständigen Wechsel aus dem Orchestergraben über die Bühne und verschwinden über eine Schräge wieder im Nichts (Bühne: Natascha von Steiger) . Immer wieder von Neuem formieren sie sich in unterschiedlichsten Konstellationen, teilweise rhythmisch in synchronen Tanzformationen mit spanischen Armposen als Fixpunkt tänzerischer Grandezza, mit verführerisch gewinkelten Beinen, rasanten Drehungen zum dynamischen Drive des Schlagzeugs. In raffinierten Lichtwechseln (Licht: Wanja Ostrower, Natascha von Steiger) werden die Tänzer*innen zu grazilen Schattenwesen, gleichzeitig zu Metaphern des peinigenden Ordnungssystems des Balletts, das sie in entindividualisierte Wesen verwandelt.
©Bettina Stoess
Doch schon hier überraschen raffinierte Hebefiguren mit einem Griff am Unterschenkel die Schwerkraft überwindend. Letztendlich sinken alle Tänzer*innen völlig entkräftet zu Boden.
Vor diesem Hintergrund werden im zweiten Teil die Anspielungen auf die Heyokas deutlich, zumal eine Stimme aus dem Off, allerdings etwas arg pathetisch, den Zuschauern, die Botschaft erklärt, die Vincent Glanzmann für diesen Tanzabend eigens im Programmheft formulierte. Wie einst die Heyokas fordert er die Befreiung von der Ernsthaftigkeit des Lebens, stattdessen eine Hinwendung zum Humor als befreiendes Lebenselixier. „Das Leben kann ja so befreiend lächerlich sein“. Diese Einladung zu einem mentalen Tanz der Freiheit realisieren die Tänzer*innen im vergnüglichen Gänsemarsch mit quietschenden Gummitierchen, allen voran Vincent Glanzmann mit der Trommel wie einst der Rattenfänger von Hameln. Doch er führt die Tänzer*innen nicht ins Unheil, sondern in die Ekstase des rituellen Tanzes. Offen für Neues, für Diversität im Tanz lösen sich die alten Ordnungsmuster auf, durchbrechen Solisten die Synchronität, vibrieren Körper im Rhythmus der perkussiven Dynamik. Aggressives Gegeneinander verwandelt sich in ein wildes ineinander Verschlungensein, trainierte Muskeln entspannen in witzigen Wackelpudding-Bewegungen, Drehungen erfolgen auf dem Kopf, Gruppenbilder werden zu parodistischen Vexierbildern. Einige Tänzer*innen mit Masken auf dem Hinterkopf verwandeln die Szenerie, intensiviert durch die Lichteffekte, in ein Spiel surrealer Bewegungscluster, die psychodelische Trancewelten vermitteln und an den Dionysos-Kult erinnern. Eine riesige einschwebende Heyoka-Maske signalisiert, die verkehrte Welt hat sich durchgesetzt.
©Michaela Schabel
Mit dieser zweiten Uraufführung in Regensburg signalisiert Georg Reischl einmal mehr, dass er neue Wege beschreiten will, die das Ensemble und das ganze Tanzteam mit Enthusiasmus als ausgesprochen kurzweiliges, humorvolles und mitreißendes Tanzstück umsetzt. Das Publikum ist begeistert.