©Schaubühne, Foto: Gianmarco Bresadola
Ein Gartenstuhl und ein Sonnenschirm auf einer Wiese, ein Küchentisch und ein Herd, ein Mikrofon und eine Gitarre genügen als Sinnbild für…
„Paradiesische Zustände“. Im Jahr 2023 veröffentlichte Henri Maximilian Jakobs den gleichnamigen Roman, jetzt performt er ihn als inneren Monolog auf der Bühne. Zwischen Songs, Text, Moderation und Interaktion mit dem Publikum gelingt ein heiterer Theaterabend, bei dem er als Johann scheinbar nebenbei, aber sehr anschaulich, atmosphärisch und selbstironisch seine Lebensgeschichte aus der Retrospektive erzählt. Eloquent, freundlich lächelnd präsentiert sich Jakobs als der, der er heute ist, ein smarter, empathischer Liedersänger.
Man käme gar nicht auf die Idee, dass er einmal ein Mädchen gewesen sein könnte. Selbstironisch erzählt er davon, dass er sich immer nur im Dunklen duschte, sich am Strand nur in knielangen Hosen und langärmeligem Shirt zeigte. Er fühlte sich in seinem Körper immer irgendwie „fremd“, „unglücklich“ und „verschwommen“, egal ob im Urlaub, bei der Arbeit im Berliner Wurst-Start-up „Le sausage“ oder bei einem Morgen-Rave. Er kam sich vor wie ein Wolpertinger, ein aus verschiedenen Tierteilen zusammengesetztes bayerisches Fabelwesen, bis er merkte, dass er sich eigentlich als Mann fühlte. Eine Drag-Queen gab ihm den entscheidenden Impuls. „Für mich bist du ein wunderschöner Mann.“
„Schaffe ich das oder ignoriere ich das“, fragt Jakobs sich. Kann man Glück trainieren? Er fasst Mut. Mit Hilfe seiner Freundin Louise gelingt es ihm, die Transition durch psychologische Begleitung und medizinische Eingriffe zu realisieren.
In Kooperation mit Regisseur Thomas Ostermeier wird die Inszenierung ganz bewusst als heiterer Unterhaltungsabend mit melancholisch nachdenklichen Sequenzen eingerichtet. Das Meer, wo Johann gern wäre, macht Jakobs mit dem Mikrofon am Plastikrasen reibend hörbar. Innere Erregungen reagiert er am Brotteig ab, den er nebenbei symbolisch knetet und in den Ofen schiebt, damit er zur gewünschten Form aufgehe. Selbstmordvisionen werden immer wieder textlich und songmäßig ausbalanciert. Dann springt er doch, nicht vom Dach, sondern in eine Daseinsexistenz. Doch selbst das Stimmengewirr aus dem Off während der bürokratischen und medizinischen Odyssee wirkt aus der Retrospektive nicht mehr schlimm. Jetzt weiß er als „staatlich geprüfter Mann“, wer er ist und was ihm gut tut.
Dieser Johann strahlt nicht nur auf der Bühne, Jakobs offenbart durch seinen Charme und seine Musik, dass er sich richtig entschieden hat. Endorphinisiert vom Applaus gibt er noch eine kleine Performance-Zugabe und das Brot wird mit dem Publikum als Zeichen der Gemeinschaft geteilt.
Das greift alles klug ineinander. „Paradiesische Zustände“ soll Mut machen, geht jedoch nicht wirklich unter die Haut, weil die psychischen Belastungen der Transition durch die monologisierende Struktur, die harmonischen Songs und die lebensfrohe Art Jakobs nicht wirklich fühlbar werden.
Künstlerisches Team: Henri Maximilian Jakobs (Theaterfassung, Musik), Elisa Leroy (Theaterfassung, künstlerische Mitarbeit), Thomas Ostermeier (Einrichtung), Max Immendorf (künstlerische Mitarbeit), Johanna Lemke (Choreographie), Aljoscha Glodde (Licht), Bettina Ehrlich (Dramaturgie)
Mit: Henri Maximilian Jakobs