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Patryk Vegas neuer Film „Putin“ – ein Psychothriller am Kitsch entlang

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Patryk Vegas neuer Film „Putin“ – ein Psychothriller am Kitsch entlang

©Kinostar Filmverleih

Ein Film über „Putin“, das zieht. Mit dem polnischen Regisseur Patryk Vega ist nicht nur die Perspektive…

des Feindbildes vorgegeben, sondern auch die Machart. Schon das Plakat verweist auf einen Thriller. In diesem Genre hat sich Vega mit dem brutalen Actionfilm „Pitbull’“ in Polen einen Namen gemacht, dem 31 Fernsehserien folgten. Zur Action kommt bei „Putin“ noch die psychologische Mystifizierung und eine über KI generierte Deepfake-Optik, womit Slawomir Sobala Putin täuschend ähnlich wird, über die Lippenbewegungen aber jegliche Authentizität verlorengeht, sein Gesicht extrem leblos wirkt. Er agiert wie ein Avatar, dem ständig vom längst erschossenen Boss seiner ehemaligen Kindergang der harte Kurs gegen Recht, Gesetz und Mitmenschlichkeit souffliert wird, der mitunter von einer jungen Frau begleitet wird, die sich um verlassene Kinder sorgt.

Mit Putin in Windeln beginnt der Film spektakulär in naher Zukunft 2026. Schnitt. Als 9-Jähriger wird er vom Stiefvater geschlagen, von der Mutter allein in einen Zug gesteckt und zur Großmutter abgeschoben. Dort lernt er sich in einer Kindergang zu behaupten. Schnitt. Präsident Jelzin ohnmächtig am Boden. Putin streicht mit den Fingern über Jelzins Bürotisch. Noch ist es zu früh für dieses Amt.

In einer Collage aus Rückblenden entlang biografischer Fakten inklusive der wichtigsten politischen Situationen offeriert Vega wie und warum Putin an die Macht kam. Aus bekannten Details kreiert Vega einen Psychothriller, der Putins Handeln durch dessen grausame Kindheit erklär und, völlig fiktiv, aber mit latenter Spitze gegen den Islamismus, im religiösen Fanatismus verortet. Die bekannten Spekulationen über Ermordungen, explodierende Wohnblocks, terroristische Attentate in Tschetschenien und Moskau stellt Vega, wie nicht anders aus polnischer Perspektive zu erwarten, als Fakten von Putins raffinierter Machtpolitik dar. Vega macht ihn zum Strippenzieher aller Verbrechen, zu einem Thrillerheld getrieben von dem Ziel alleiniger Weltherrschaft mit der Vision, Russland von den neureichen Prassern zu befreien. Neues erfährt man dabei nicht, aber darum geht es Vega nicht. Er sucht nach Erklärungen und übertreibt sie durch mystifizierte Klischees ganz bewusst zur Farce, durch dokumentarische Explosions- und Kriegssequenzen realistisch verortet und mit Thrillersound untermalt. 

Putin wandelt sich vom mitleidswürdigen Straßenkind zu einem Fürstreiter gegen Korruption und outet sich schließlich selbst als sich bereichernder Machtpolitiker, dessen Karriere während der Wende nach der Flucht aus Dresden als Dolmetscher Schritt für Schritt in St. Petersburg mit dem Amt des Oberbürgermeisters beginnt, von wo aus er den Sprung nach Moskau schafft, Jelzin ausbootet und zum Präsidenten gewählt wird. Dabei zeigt Vega ihn als einen, der keine Kränkung vergisst, nicht einmal das Lachen über seine Schuhe, wofür er sich beim Oberbürgermeister von St. Petersburg Putin mit Klopapierrollen als Geburtagsgeschenk rächt. Putin will noch mehr, lebenslange Herrschaft und die abtrünnigen Sowjetrepubliken. Im Film der Dramatik wegen erst als Erwachsener getauft umgeben von satanischen und heilbringenden Einsagungen glorifiziert Vega Putin ironisch als Führer einer höheren Ordnung, der aus der Dunkelheit des Bösen in die Helligkeit des Guten wechselt, und dennoch nicht vor dem Schlimmsten zurückschreckt.

Im Detail sorgt Vega durchaus für originelle kritische und amüsante Sequenzen. Zwei Jahre nach Tschernobyl leben in den Bauruinen des verseuchten Reaktors Systemkritiker und verkaufen dem KGB lebensgefährliches Caesium. Und natürlich muss der Thriller auch etwas mit Sex garniert sein. Deshalb lädt Jelzin Putin ein Playboy-Bunnies mit Farbpatronen abzuknallen. Wer getroffen wird, ist mögliche Bettgefährtin. Dass Putin alles andere als ein leidenschaftlicher Liebhaber ist, zeigt die Szene mit seiner neuen Frau, neben der er wie ein Stockfisch steht, als seine Ehefrau beide in flagranti erwischt. Ironisch schwenkt die Kamera während einer Fernsehansprache unter den Tisch, wo Putins Bein auf einem Schemel sein Bemühen um körperliche Größe und Autorität ironisch entlarvt. Kleiner Mann ganz groß möbelt er später als Sportler, Raubkatzenjäger und Naturbursche sein Image auf. Auf Putins Geheiß sollen die Journalisten diskutieren, als wäre er gar nicht da, und dann natürlich sagen, was er hören möchte, wodurch Putins manipulativer Regierungsstil bestens zur Wirkung kommt. „Wir brauchen mehr als Medienzirkus, wir brauchen ein Medientheater.“ Konsequent erfolgt der nächste Terrorakt, der alle Russen berühren sollte im Dubrowka-Theater. 

Käme der Film nicht aus Polen, könnte man ihn durchaus als Heroisierung Putins interpretieren. Einer, der in der Jugend hin- und her geschubst wurde, erkämpft sich einen festen Platz in der Welt, in einem Piranhasteich. „Fressen oder gefressen werden.“ Putin will die Ursache nicht die Wirkung sein, über das Horrorszenario im Ukrainekrieg hinaus bis zur bitteren letzten Konsequenz, der Massenvernichtung durch eine Atombombe, um die Widerstandskraft und das Nationalgefühl zu stärken. „Wir kommen in den Himmel, die Ukrainer in die Hölle“. In Vegas visionärer Fiktion trifft es dabei auch Putin. An den Beginn anschließend bibbert er seinem Tod entgegen. Damit holt Vega polnische Angriffsängste in die unmittelbare Zukunft. Die derzeitige „Mump“-Politik beweist einmal mehr, dass internationale Politik immer mehr zu einem Thriller psychotischer Potentaten degradiert.

Künstlerisches Team: Patryk Vega (Drehbuch, Regie), Lukasz Targosz (Komponist)

Mit: Slawomir Sobala, Tomasz Dedek, Przemyslaw Bluszcz, Thomas Kretschmann; Justyna Karlowska, Maksymilian Zilinski, Aron Jonczyk, Michal Karmowski