©Schaubühne Berlin, Foto:Ivan Kravtsov
„Was geht hier ab? Man denkt, man macht einen Fortschritt und kommt genau wieder da an, wo man gerade war. Wir wissen, worauf es hinausläuft und können das doch nicht verändern.“ Inspiriert von der Idee des Lebens in sich wiederholenden Zyklen nach Wilhelm Strauss’ und Neil Howes’ Bestseller „The Forth Turning“ (1997) erzählt die israelische Autorin und Regisseurin Yael Ronen in ihrem Stück „Replay“,…
wie sich über vier Generationen hinweg in einer Familie dramatische Tragödien wiederholen. Yael Ronen weiß ihre pointierten Dialoge als Regisseurin zusammen mit dem künstlerischen Team bestens in Fugenform umzusetzen. Die Basis bleibt gleich, nur die Details ändern sich.
Im Vorfeld stellt Eva Meckbald als hippelige Moderatorin vor monumentalen, weißen Stoffbahnen die Fragen, die das Spiel über die sich wiederholende Ereignisse der Familiengeschichte beantwortet, segmentiert durch atmosphärische Spiralprojektionen und jahreszeitliche Stimmungsbilder, untermalt von einem ruhigen Sound, in dem Bachs „Kunst der Fuge“ immer wieder anklingt. Das ist konzeptionell klug angelegt, wirkt aber durch die Häufung der Selbstmorde letztendlich sehr konstruiert.
Von der kleinen sommerlichen Strandszene aus, Luise und ihr Ehemann Viktor an der Ostsee, blendet das Stück zurück auf Luises Kindheit mit Schwester Lotte, auf die mondäne Mutter, eine berühmte Wagnersängerin, die sich bei einem Gastspiel in Bayreuth in den Westen absetzt, während der Vater durch eine Loyalitätserklärung zum DDR-Spitzel degradiert, um die Karriere seiner Frau und das Studium seiner Töchter nicht zu gefährden, dabei alkoholsüchtig wird und sich umbringt. Die beiden Mädchen wachsen in enger Symbiose heran, schlagen aber im Gegensatz zu deren heiß geliebter Lektüre von Erich Kästners „Doppeltem Lottchen“ nach dem Zusammenbruch der Familie ganz verschiedene Lebenswege ein. In dichtem Schneegestöber breitet sich Winterstarre aus, wiederholen sich in Luises Ehe die Strukturen ihres Elternhauses zwischen Liebe und Erfolg, Fremdgehen und Streit, Selbstverletzung bis zum Suizid.
©Schaubühne Berlin, Foto:Ivan Kravtsov
Text und Inszenierung balancieren gekonnt zwischen emotionaler Betroffenheit und grotesker Übertreibung. In der Rolle der Mutter brilliert Ruth Rosenfeld in der Optik einer biederen Marilyn-Monroe-DDR-Version als schräge Opernsängerin und narzisstische Egozentrikerin. Großartig spiegelt Carolin Haupt als 8-jährige Tochter Luise minutenlang tobend und um sich schlagend die Wirkung fehlender Mutterliebe. Später weiß sie sich gegen die Übergrifflichkeiten ihres Mannes (Christoph Gawenda), ein berühmter Pianist und narzisstisches Pendant zur Mutter, gekonnt zur Wehr zu setzen. Eva Meckbach darf als Lotte die andere Seite der Medaille spielen. Nach dem Motto „Jeder ist verantwortlich für seine Entscheidungen“ übernimmt sie die Pflege des Vaters und wird sachkundige Therapeutin. Luises Mann Viktor schleppt dagegen mit seiner neuen schwangeren Geliebten die jüngere Version der Mutter an und Luises Sohn setzt die Tradition selbstzerstörischer Verantwortlichkeit fort.
Aufgeblasen durch die überaus fragwürdige zyklentheoretische Einbettung scheint das Unheil kein Ende zu nehmen. Dabei verflacht die Inszenierung zu einer überdrehten Tragikomödie. Erbanlagen und Sozialisationsmuster hätten treffsichere Erklärungen abgegeben. Weniger wäre mehr gewesen.
Künstlerisches Team: Yael Ronen (Regie), Magda Willi (Bühne), Amit Epstein (Kostüme), Yaniv Fridel, Ofer (Oj) Shabi (Musik), Stefano Di Buduo (Video), James Farncombe (Licht), Nils Haarmann, Irina Szodruch (Dramaturgie)
Mit: Christoph Gawenda, Carolin Haupt, Eva Meckbach, Ruth Rosenfeld, Renato Schuch