©Majestic Filmverleih
Schönheit in raffinierten Perspektiven vor auratischem Gegenlicht in schwungvollen Bewegungen, durch Zeitlupe und Zoom in jedem Detail erfasst schuf Leni Riefenstahl (1902-2003) faszinierende Filme und ikonische Bilder. Gerade deshalb zählt sie zu den umstrittensten Frauen im 20. Jahrhundert…
Riefenstahls Begeisterung für schöne Körper passte bestens zu Hitlers Ideologie der Überlegenheit der Siegreichen und der damit einhergehenden Verachtung der Kranken und Schwachen. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Riefenstahl ihre enge Verbindung zum NS-Regime zu leugnen. Vor Gericht wurde sie freigesprochen, aber in den Medien immer wieder wegen ihrer Freundschaft zu Hitler und Propagandistin seines Regimes vorgeführt, ein Image, gegen das sie sich ein Leben lang zur Wehr setzte. Karriereorientierte Mitläuferin und damit mitschuldig oder unerfahrene Frau, begeistert von Hitler wie 90 % aller Deutschen auch, die erst viel zu spät die Schrecken des Regimes erkannten?
Regisseur Andreas Veiel und TV-Journalistin Sandra Maischberger zeigen beide Seiten Riefenstahls auf der Basis sehr umfangreicher Recherchen. 700 Kisten aufbewahrt von der der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ermöglichen einen tieferen Einblick in Leni Riefenstahls Leben und erklären, warum ihre Filme 80 Jahre nach ihrer Entstehung immer noch eine Blaupause für „Schönheit, Gesundheit und Stärke“ dienen. Anhand von privaten, bislang unveröffentlichten Filmen und Fotos, persönliche Briefen und Telefonaten mit engen Freunden kombiniert mit Talkshow- und Filmausschnitten entsteht statt der bislang üblichen Schwarz-Weiß-Malerei ein facettenreiches Bild in einem erweiterten Kontext, in dem Leni Riefenstahl in ihrer ganzen Persönlichkeit, inklusive ihres Talents der Selbstdarstellung fassbar wird. „Damit einiges Erinnert werden kann, muss einiges vergessen werden“, so die Diktion dieser ausbalancierten, kontrastreichen Recherche, die durch den fragilen Filmsound als dystope Stimmung hörbar wird, die den Schrecken des Nazi-Regimes, aber auch die innere Anspannung Riefenstahls zwischen Erfolg und Absturz spürbar macht.
Unerschrocken klettert sie als junge Schauspielerin im Rock eine gefährliche Felswand hoch, bestens gewählt als Vorspann für „Riefenstahl“, den Film für sie und ihre Steilkarriere. Durch ihr schauspielerisches und filmisches Talent wurde Hitler und Co sie aufmerksam. Ihr Faible für das Schöne und Heroische passte bestens zur nationalsozialistischen Propaganda. Auf ihrer „Olympia“-Filmtournee durch Europa wurde nicht nur sie, sondern auch Hitler durch Szenenapplaus gefeiert. 30 Kameraleute einschließlich Riefenstahl filmten das 1936 das sportliche Megaereignis. Die Aufnahmen der Spitzensportler, die grandiose Ästhetik der Körper, die nahtlosen Übergänge zwischen den Bewegungsformen faszinieren immer noch.
Um Riefenstahl zu verstehen muss man ihre Kindheit kennen. Als „Wunschsohn“ war sie der brutalen Erziehung ihres Vaters ausgeliefert. Er warf sie, ohne dass sie schwimmen konnte, ins Wasser, wobei sie beinahe ertrunken wäre. Er prügelte sie und sperrte sie stundenlang in der Toilette ein. Mit den Bildern aus „Triumph des Willens“ beschreibt sie sich selbst als „organisierte Kraft“ und
„Demonstration des kontrollierten Körpers auf Sieg getrimmt“. Gehorchen war eine Selbstverständlichkeit. Doch in ihren Briefen trauerte sie ihren „gemordeten Idealen“ nach. Sie träumte von einer ordnenden Hand, die endlich mit dem „Scheißstaat“ aufräumt. Von Hitler fühlte sie sich vom ersten Augenblick an „magnetisch“ angezogen. Ihm verdankte sie seine Karriere. Im Nachklang resümierte sie, „am besten wäre es gewesen, wenn ich zu Beginn des Krieges gestorben wäre.“
Nach ihrem ersten Auftrag als Kriegsberichterstatterin beim „Überfall in Polen“ lehnte sie derartige Aufträge ab, filmte aber weiter. Das Elend, das das NS-Regime auslöste, ignorierte sie.
Im Zuge der politischen Aufarbeitung des NS-Regimes wurde sie zwar gerichtlich als „Mitläuferin“ freigesprochen, aber das Image der Hitler-Propagandistin und „Rattenfängerhelferin“, so die Bildzeitung, blieb an ihr haften, weshalb sie keine Filmaufträge mehr bekam. Eine Regieanweisung, „bringt die Juden weg“, damit im Hintergrund der Filmaufnahme keine Menschen zu sehen waren, wurde nach dem Krieg medial von der Zeitschrift „Revue“ als Appell zur Judenerschießung ausgeschlachtet.
Riefenstahl verließ Deutschland und filmte erst in den 1960er Jahren wieder. Monatelang lebte sie in Afrika bei den Nuba im Sudan, um die Schönheit dieses Naturvolks zu filmen. Gesponsert von deutschen Firmen, die dafür kostenlos die Fotos verwenden durften, steht in einer Sequenz eine große Persilschachtel neben zwei sich waschenden Kindern. Eine bitterböse Satire, die unkommentiert bleibt, aber exzellent Riefenstahls manipulierbare Seite offeriert. Nur am eigenen Erfolg und an der Ästhetik des Schönen interessiert fehlte ihr jegliche Einsicht für die Instrumentalisierung ihres Kunstschaffens.
Vor laufender Kamera streitet sie Fakten ab, die längst historisch widerlegt sind und doch berührt es, wie diese Frau ein Leben lang um ihre Reputation kämpfte. 1944 drehte sie „Tiefland“auf der Basis von einer von Hitlers Lieblingsopern, wozu sie 50 Sinti-Kinder anforderte. Viele wurden in den Folgejahren im KZ ermordet, während Riefenstahl behauptet alle Komparsen später „gesund und munter“. Warum bricht sie dann fast in Tränen aus und bittet das Interview zu unterbrechen? Warum rang sie 10 Jahre lang beim Schreiben ihrer Memoiren damit, wie sie gesehen werden wollte?
Die Regie bleibt souverän, blendet das wohlwollende Feedback des Publikums ein, hält aber mit den historischen Fakten dagegen und bezieht symbolisch Position in der letzten Sequenz. Riefenstahl im gebrechlichem Alter will eine Falte in ihrem Gesicht „wegmachen“ lassen und muss erkennen. „Das geht nicht mehr.“
„Riefenstahl“ ist ein spannendes, vielschichtiges Porträt, das den ZuschauerInnen die Beurteilung dieser Causa überlässt.