©Eike Walkenhorst
Im Gegensatz zur filmischen Vorlage Fellinis geht der Luxusdampfer nicht unter, aber die bourgeoise Trauergesellschaft vollgedudelt mit egomanischen Träumen. Fellinis elegische, burlesk poetische Bildwelten konfrontiert Anna Bergmann, die auf halber Strecke für Claudia Wagner eingesprungen ist, mit einer hochartifiziellen Groteske, die anfangs sehr nervig durch das schauspielerische Können an Sympathie gewinnt…
Mit Riesenfrisuren, in ausladenden Kostümen kreisen sie wie ein Raritätenkabinett von Vorgestern auf der Drehbühne und vor allem um sich selbst. Vorbei ist es mit der Stille, der absoluten Stille, die die Journalistin als Vorgeschmack auf den Tod zu Beginn einfordert. Gemeint ist der Tod Maria Callas’ (†1977), auch wenn sie im Film und auf der Bühne einen anderen Namen hat. Callas’ Asche soll von einem Schiff weit draußen verstreut werden. Die ungewöhnliche Trauerfeier wird zum Stelldichein der High Society und zu ihrem eigenen Untergang, die trotz einer Havarie mit einem Flüchtlingsboot im Film um ein Haar überlebt. In der Fassung des Deutschen Theaters schrumpft das Panoptikum auf sieben Personen. Ohne Konfrontation mit den Flüchtlingen, ausschließlich mit sich selbst beschäftigt führen sie sich selbst ad absurdum, ohne zu begreifen, dass sie allesamt am Rande eines Vulkans sitzen. Eine Figur schriller als die andere konzipiert fern jeglicher Traueratmosphäre entwickelt sich ein bizarr groteskes Kasperltheater, das allerdings durch Text und Spiel an Dichte und Aktualität gewinnt. „Wann war der Untergang des Schiffes?“, fragt die Journalistin, mit Anja Schneider, die einzige Normale in der Runde. „1933, 1945 oder 1953, 9/11, am 7. Oktober 2023 oder 2024?“ Die Parameter sind immer die gleichen. Die Crème de la Créme amüsiert sich, in ihren Tiraden und leeren Phrasen spiegelt sich die eigene Hohlheit, großartig gespielt, gesungen, durch sphärischen Sound emotionalisiert, durch perkussive Live-Musik kontrastiert und sehr präzise, humorvoll in Szene gesetzt, wobei allein schon die bizarren Größenrelationen schmunzeln lassen.
©Eike Walkenhorst
Janek Maudrich gibt einen hyperaktiven Zappel-Tenor ab, dessen Riesenhände überaus pointiert diesen skurrilen Größenwahn versinnbildlichen. Das Sängerehepaar Anastasia Gubareva und Florian Köhler hat die besten Jahre hinter sich und jongliert zwischen Langeweile, Möchte-gern-Seitensprung und Eifersucht. Julia Gräfner brilliert als kleiner, um sich ballernder Großherzog. Seine Schwester (Martina Switala) kann Töne als Farben sehen. Mit von der Partie ist Hubert Wild, Bariton und Countertenor, der die Inszenierung mit einem herrlich schrägen Arienmix aufmischt. Moritz Kienemann als Graf sehnt sich nach seiner angebeteten Diva. Die spielt Sina Kießling in somnambuler Introvertiertheit in der Optik einer blonden Barbypuppe im XXL-Format. Videos kontrastieren die Selbstbeschau mit der Weite des Meeres, was einmal mehr die Lächerlichkeit dieser aufgebrezelten Individualisten verdeutlicht. Sanft, gleichsam weiterträumend gleiten die Stars im Bewusstsein, „nur die Kunst überlebt“, in die Tiefe des Wassers hinab tonal begleitet von byzantinischer Tiefe in Endlosschleife, doch in den gezoomten Liveporträts wird der Schrecken des Todes sichtbar. Allein das Nashorn und die Möwe überleben. Sie bringt die Botschaft des Spektakels auf den Punkt. „Erinnerst du dich noch an die Menschen?“ Nur ein Wimpernschlag in der Evolution drängt sich als Antwort auf.
Künstlerisches Team: Anna Bergmann (Regie), Peer Baierlein (Komposition/Musikalische Leitung), Andreas Auerbach (Bühne), Vanessa Rust (Kostüme), Jan Speckenbach (Video), Hubert Wild (Musikalische Einstudierung), Daniel Richter (Dramaturgie) Rieko Okudo, Samuel Hall (Live-Musik), Dorian Sorg (Live-Kamera)
Mit: Julia Gräfner, Anastasia Gubareva, Moritz Kienemann, Sina Kießling, Florian Köhler, Janek Maudrich, Anja Schneider, Mathilda Switala, Hubert Wild, Rieko Okudo, Samuel Hall (Live-Musik), Dorian Sorg (Live-Kamera)