Als Reise nach einem Menschenbild deklariert machte „Mont Ventoux“ im Rahmen des Festivals „Tanz im August“ neugierig. Doch zwei Tage nach der faszinierenden Tanzperformance „Mycelium“ konnte die Choreografie von „Mont Ventoux“, womit das spanische Tanzkollektiv Kor’sia von einem Festival zum anderen quer durch Spanien reist, in Berlin nicht wirklich überzeugen…
©Maria Alperi
Der konzeptionelle Hintergrund ist durchaus interessant. Die Besteigung des Mont Ventoux durch den italienischen Dichter Francesco Petrarca inspirierte das Tanzkollektiv Kor’sia. Petrarcas Bericht (1350) über seine Natur- und Selbsterfahrung gilt als Startpunkt der europäischen Renaissance mit seinem neuen Menschenbild. Genau das suchen auch die acht TänzerInnen des Tanzkollektiv Kors’ias.
Wind heult, schwillt zum Orkan an. Hinter einer bühnenweiten Glaswand kämpfen die nackten TänzerInnen im suggerierten Sandsturm ums Überleben. Nach dem apokalyptischen Beginn weicht die Glasfront zurück. Über unterschiedliche Tanzstile zwischen Streetdance-Soli, Zweikampfsituationen, Standbilder und synchron getanzten Passagen setzt das Tanzkollektiv die Suche nach einem neuen Menschenbild zwischen Individualismus und Kollektiv um, wobei die Musik immer dröhnender wird und sich das tänzerische Geschehen auf ein Hin und Her sehr ähnlicher Ausdrucksformen beschränkt, ohne eine stilbildende Tanzsprache zu generieren. Die nackten Oberkörper glänzen vor Schweiß. Die Technobeats werden noch lauter. Die Anstrengung der Suche soll sichtbar und hörbar sein. Sie erreicht ihr Ziel in der Gemeinschaft, in der der einzelne seine Individualität zeigen darf.
In Erinnerung bleibt ein akustisch dominierter Tanzabend, in dem der Mensch vor der Natur verzwergt und jegliche Sinnsuche anstrengend mit aggressiven Auseinandersetzungen verbunden ist. Ausgebreitete Arme agieren als Symbol der Freiheit ganz im Stil klassischer Schlichtheit. Fliegen und Abheben, gipfelstürmenden Enthusiasmus bietet „Mont Ventoux“ ganz bewusst nicht.
Künstlerisches Team: Antonio de Rosa & Mattia Russo (Choreografie und Regie)